Drogerie-Dobendan wird Dobensana Patrick Hollstein, 13.08.2015 14:51 Uhr
Dachmarken für Arzneimittel mit unterschiedlichen Wirkstoffen sind nach der jüngsten Rechtsprechung zulässig, solange die Indikation dieselbe ist. Reckitt Benckiser (RB) hatte diese Sichtweise antizipiert und sich in den vergangenen Jahren zunehmend in der Sichtwahl breit gemacht. Mit Erfolg: Die Marke hat in ihrer Indikation die Nase vorn. Nur dass es die Produkte teilweise auch in der Drogerie gibt, ärgert die Apotheker. Das ändert der Hersteller jetzt: Im Mass Market firmiert Dobendan künftig unter Dobensana.
Aktuell gibt es unter der Dachmarke verschiedene Varianten. Freiverkäuflich sind die Varianten mit 1,2 mg 2,4-Dichlorbenzylalkohol und 0,6mg Amylmetacresol, genauso wie der Klassiker mit 1,4 mg Cetylpyridiniumchlorid. Das Antiseptikum wirkt bakterizid und viruzid und ist in der höheren Dosierung auch in Dolo Dobendan enthalten. Wegen des Zusatzes des Lokalanästhetikums Benzocain à 10mg ist diese Marke allerdings nur in der Apotheke zu finden.
Exklusiv in der Offizin gibt es auch Dobendan direkt, das 8,75mg Flurbiprofen enthält. Der Ibuprofen-Abkömmling ist seit 2004 zur kurzzeitigen symptomatischen Behandlung bei schmerzhaften Entzündungen der Rachenschleimhaut bei Erwachsenen und Kindern über 12 Jahre verschreibungsfrei. Die Lutschtabletten, früher bekannt unter den Namen Strepfen und Doprofen, sind seit 2001 auf dem Markt. Nachdem der Wirkstoff im April mit Verspätung auch in anderen Formen auf den Markt gebracht wurde, könnte der Konzern demnächst ein Granulat auf den Markt bringen.
Die freiverkäuflichen Varianten wird es unter neuem Namen weiter in der Apotheke geben, ohnehin werden Dobendan und Dobensana nach Unternehmensangaben nicht aktiv im Mass Market distribuiert. Die Umbenennung sei vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gewünscht worden und habe keine Auswirkung auf die Vertriebsstrategie, hieß es. Die ersten drei Dobensana-Präparate werden jetzt eingeführt, neben der Geschmacksrichtung Minze sollen zusätzlich Eukalyptus & Menthol sowie Orange folgen.
In den Apotheken spielen die freiverkäuflichen Produkte eine untergeordnete Rolle: Nur 6 Prozent nach Wert beziehungsweise 7 Prozent nach Menge entfallen auf diese Produktgruppe. 56 Prozent des gesamten Geschäfts mit Dobendan entfallen auf Dolo Dobendan, weitere 36 Prozent auf Dobendan direkt.
Mit einem Plus von 36 Prozent hatte sich Dobendan im ersten Quartal besonders gut entwickelt. Mit 2,3 Millionen Packungen und Erlösen von 19 Millionen Euro hatte die Serie unter den Halsschmerzmitteln in der Apotheke mit Abstand die Nase vorn. Nur Dorithricin legte mit einem Plus von 40 Prozent noch stärker zu; allerdings kommt das Medice-Produkt nur auf ein Viertel der Verkaufszahlen, genauso wie Lemocin (Novartis), das um 20 Prozent wuchs.
Abgehängt hat Dobendan mittlerweile auch Neo-Angin. Das Klosterfrau-Produkt kam im ersten Quartal auf 1,4 Millionen Packungen und 11,5 Millionen Euro – ein Plus von 32 beziehungsweise 28 Prozent, das auch auf die Einführung von Neo-Angin stimmig zurückzuführen war. Besonders bitter: Als Vertriebspartner hatten die Kölner das heutige Konkurrenzprodukt an die Spitze gebracht. 2010 zog Dobendan erstmals an Neo-Angin vorbei, im Mai 2014 ließ RB die Vereinbarung nach 16 Jahren auslaufen.
Head of OTC Sales bei RB ist seit dem Wechsel von Michael Braig zu Galderma seit Jahresbeginn Claudia Pöhl. Sie ist seit 2010 beim Konzern, genauso wie Matthias Steimel, der das Marketing für die Gesundheitsprodukte verantwortet. Vor einigen Monaten war das Team von Mannheim nach Heidelberg umgezogen. Insgesamt kommt RB in den deutschen Apotheken auf Erlöse von 106 Millionen Euro auf AVP-Basis, weitere wichtige Marken sind Gaviscon und Nurofen.
International firmiert Dobendan unter der Bezeichnung Strepsils, die weltweit das meist verkaufte Produkt gegen Halsschmerzen ist. Hierzulande wurde die Dachmarke zur Dachmarke 2009 eingeführt und 2013 wegen der schlechten Resonanz bei den Apothekern zumindest für die OTC-Varianten wieder abgeschafft: „Okay, Sie hatten Recht! Früher war's einfach besser“, hieß es in einer Anzeige.
RB hatte im Januar 2006 für 1,9 Milliarden Britische Pfund die OTC-Sparte der britischen Drogeriekette Boots übernommen. Der Verkauf war im Vorfeld der Fusion mit dem Pharmahändler Alliance UniChem wegen des Kräftegleichgewichts notwendig geworden.
Seitdem hat RB immer wieder zugekauft: 2008 ging Adams Respiratory für 1,1 Milliarden Pfund an die Briten – samt der in den USA führenden Erkältungsmarke Mucinex. 2010 legte RB 2,5 Milliarden Pfund für den Hersteller SSL auf den Tisch, der 1999 aus den Unternehmen Seton Scholl (Scholl's) und London International Group (Durex) entstanden war. Für knapp 500 Millionen Pfund kaufte der Konzern im selben Jahr den indischen OTC-Hersteller Paras.
Mit einem Gebot von 1,4 Milliarden US-Dollar stach RB 2012 Bayer beim Nahrungsergänzungsmittelhersteller Schiff Nutrition aus; dafür kamen die Leverkusener dann bei der OTC-Sparte von Merck zum Zuge. Rund 400 Millionen Dollar zahlte RB zuletzt für die exklusiven Vertriebsrechte an mehreren OTC-Marken von Bristol-Myers Squibb (BMS) in Lateinamerika. Außerdem kaufte der Konzern K-Y von Johnson & Johnson. Die Pharmasparte wurde unter dem Namen Indivior abgespalten.
Der Konsumgüterkonzern (Calgon, Cilit, Clearasil, Kukident, Vanish, Veet, Woolite) entstand 1999 durch den Zusammenschluss des deutschen Calgon-Hersteller Benckiser und des britischen Mischkonzerns Reckitt & Colman. Die Wurzeln beider Unternehmen reichen weit ins 19. Jahrhundert zurück: Reckitt war ursprünglich ein Mühlenbetrieb in England, Benckiser startete als Chemiefabrik in Ludwigshafen. Noch heute sind die Nachkommen des deutschen Firmengründers mit 11 Prozent der Anteile größter Aktionär bei RB: Die Familie Reimann aus Mannheim rangiert mit einem geschätzten Vermögen von elf Milliarden Euro auf Rang 4 in einer Liste der Superreichen.