Haemato: Reimporteur mit Versandapotheke Patrick Hollstein, 13.02.2024 15:05 Uhr
Nur Apotheken dürfen Arzneimittel abgeben, das gilt auch für Sprechstundenbedarf. Um Schönheitskliniken – auch die eigenen – direkt beliefern zu können, wurde dem Reimporteur Haemato vor zwei Jahren von seiner Muttergesellschaft MPH eine Versandapotheke in den Niederlanden an die Seite gestellt.
„Direct Apotheke Venlo“ heißt der Versender, der zur börsennotierten Holdingsgesellschaft MPH Health Care gehört und bereits seit 2020 am Netz ist. Auf der Website wird unter anderem mit einer „hochwertigen Produktauswahl“ geworben: „Bei uns profitieren Sie von einer großen Auswahl hochwertiger Qualitätsprodukte renommierter Hersteller, die wir Ihnen zu fairen Preisen anbieten.“ Registrierten Gewerbekunden werden dabei „attraktive Rabatte und Staffelpreise“ angeboten, ab einem Einkaufswert von 150 Euro entfallen die Versandkosten.
Allzu viele Endverbraucher erwartet man auf der Website offensichtlich nicht, jedenfalls ist nirgends das EU-Sicherheitslogo zu finden. Auch in den Registern beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beziehungsweise bei der niederländischen Aufsichtsbehörde fehlt ein entsprechender Eintrag.
Spezialist für Schönheitsprodukte
Und von der versprochenen „großen Auswahl“ kann auch nicht die Rede sein: Mit Azzalure, Belotero, Hylase, Juvederm, Restylane und Yvoire wird gerade einmal eine Handvoll Produkte angeboten, andere Artikel wie Covid-Schnelltests oder Nadeln und Kosmetik sind „ausverkauft“.
Lieferant für Beauty-Kliniken
Hintergrund dürfte sein, dass der Versender eine spezielle Klientel im Auge hat. So heißt es: „Wir liefern Arzneimittel, Medizinprodukte und Zubehör für Kliniken und Arztpraxen in Deutschland im Bereich der medizinisch-ästhetischen Behandlungen (sog. ‚Beauty-treatments‘). Wir kümmern uns um die Medikamente, die zu einer guten kosmetischen Behandlung beitragen, und um die Hilfsmittel, die dafür benötigt werden. In unserem Vertriebszentrum in Venlo sorgen wir dafür, dass die Produkte unter fachgerechten Bedingungen gelagert werden. Wir bereiten Ihren Auftrag sorgfältig vor und stellen sicher, dass die Kontrollen korrekt durchgeführt werden.“
Immerhin: 2022 setzte der Versender knapp 14 Millionen Euro um, ein Plus von 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auf Nachfrage wollte Patrick Brenske sich nicht zum Thema äußern. „Hauptaugenmerk liegt vor allem im Versandhandel von Arzneimitteln und Medizinprodukten für medizinisch-ästhetische Behandlungen“, heißt es im Geschäftsbericht von MPH.
Zumindest ein Teil der Erlöse könnte aus dem eigenen Umfeld kommen. MPH ist nämlich zu mehr als 50 Prozent an der ebenfalls börsennotierten Aktiengesellschaft M1 Kliniken beteiligt. Unter der Marke „M1 Med Beauty“ betreibt das Unternehmen 56 Schönheitskliniken, von denen sich 37 in Deutschland befinden.
Außerdem ist M1 mit 68 Prozent an Haemato beteiligt; der Reimporteur ist nicht nur auf die Indikationsbereiche Onkologie, HIV, Rheuma, Neurologie, Herz-/Kreislauf-Erkrankungen und Betäubungsmittel spezialisiert, sondern auch auf Produkte der ästhetischen Medizin. Zu rund 7000 Apotheken hat das Unternehmen nach eigenen Angaben einen direkten Zugang. Über eine Kooperation mit dem südkoreanischen Herstellers Huons sollten Eigenmarken entwickelt werden, den Anfang machen sollte ein hauseigenes Botulinumtoxin. Im vergangenen Jahr wurde das Projekt eingestellt.
Passend dazu ist MPH auch am Herstellbetrieb Pharmigon samt Großhändler Zytotrade beteiligt; das Gemeinschaftsprojekt mit der Münchener Grillparzer Apotheke der Familie Beyerlein stellt an Werkbänken in Donauwörth Zytostatika-Lösungen für Krebstherapien her.
Bis vor einigen Jahren gab es am Firmensitz in Schönefeld bei Berlin sogar eine eigene Apotheke; mittlerweile ist Dr. Michael Wackernagel mit der Lilienthal-Apotheke ins benachbarte Schulzendorf umgezogen.
Apotheke in der Firmenzentrale
Haemato ist übrigens nicht der erste Reimporteur, der auch auf der nachgelagerten Handelsstufe aktiv ist. Auch an der Firmenzentrale von Eurim gab es jahrelang eine Apotheke, die vom kürzlich verstorbenen Firmenchef Andreas Mohringer betrieben wurde. Als „langjähriger Lieferant von Antikonzeptiva“ schrieb die Apotheke regelmäßig Frauenärzte in ganz Deutschland an, um ihnen Eurim-Präparate anzubieten.
So bewarb die Althof-Apotheke Arzneimittel wie Depo-Clinovir, Gardasil, Implanon NXT, Nexplanon, Mirena, Jaydess, Botox, Dysport, Xeomin sowie Intrauterinpessare und Medizinprodukte wie Flexi T und Gynefix mit gestaffeltem Naturalrabatt: Bei Bestellung von vier Packungen gab es eine gratis dazu, bei zehn sind es drei, bei 23 acht und bei 46 sogar 14.