Apotheken-Pick-up

Gutachten: Kassen droht Doppelsteuer bei „Vorteil24“ Alexander Müller, 27.04.2012 10:33 Uhr

Berlin - 

Das Pick-up-Konzept „Vorteil24“ der Apothekenkooperation Linda ist rechtlich umstritten. Die Gerichte bewerten die Rolle der teilnehmenden deutschen Apotheken unterschiedlich. Weitestgehend unberührt blieben dabei bislang die steuerrechtlichen Fragen. Die Kanzlei Hönig & Partner hat sich das Konstrukt genauer angesehen und kommt zu einem erstaunlichen Ergebnis: Der Mehrwertsteuertrick ist demnach nicht nur unzulässig, er könnte den Krankenkassen zudem hohe Steuernachforderungen aufbürden.

 

Bei „Vorteil24“ bestellen die Kunden ihre Arzneimittel in einer Linda-Apotheke bei der Montanus-Apotheke in Dinxperlo. Laut den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) holen die Kunden ihre Arzneimittel selbst ab, weshalb der niederländische Mehrwertsteuersatz von 6 Prozent veranschlagt wird. Für die Lieferung wird die zum Konstrukt gehörende Firma Sequalog beauftragt. Sie zahlt auch die Rabatte an die Kunden und Provisionen an die Apotheken. Die Kassen erstatten Montanus den vollen deutschen Arzneimittelpreis.

Die Rechtsanwälte und Steuerberater von Hönig & Partner bezweifeln allerdings, dass sich ein solcher „Abholfall“ konstruieren lässt. Denn Vertragspartner der niederländischen Apotheke sei bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gar nicht der Patient: Der habe zwar Anspruch auf Erfüllung der Sachleistung, umsatzsteuerrechtlich sei aber nicht er der Abnehmer, sondern seine Versicherung. Eine Abholung der Arzneimittel durch die Kasse scheide aber zwangsläufig aus.

 

 

Der Kanzlei zufolge muss die Kasse die Arzneimittel daher als „innergemeinschaftlichen Erwerb“ im Inland versteuern. Daraus ergibt sich laut Hönig & Partner ein weiteres Problem: Da Montanus den deutschen Bruttopreis berechnet, zahlt die Kasse drauf. Denn steuerrechtlich handelt es sich um einen Nettopreis. In der Konsequenz müssten die Kassen auf diesen Preis noch einmal die deutsche Umsatzsteuer abführen – obwohl sie im Geschäft mit Montanus eigentlich schon eingepreist war. „Nach unserer Rechtsansicht könnte dies erhebliche Steuernachforderungen für die GKV bedeuten“, sagt Steuerberater Gilbert Hönig.

Laut dem Gutachten der Kanzlei kann die niederländische Umsatzsteuer von 6 Prozent grundsätzlich nicht bei Arzneimitteln erhoben werden, die zu Lasten der GKV abgegeben werden. „Aber auch für den OTC-Bereich ist der Ausgang des steuerrechtlichen Verfahrens gegen die Montanus Apotheke spannend, da hier die Zulässigkeit der AGB und ein möglicher Gestaltungsmissbrauch geprüft werden“, so die Aussage von Hönig & Partner.

Tatsächlich hatte auch das Finanzgericht Düsseldorf in einem Verfahren gegen die Montanus Apotheke Zweifel an dem in den AGB festgelegten Erfüllungsort: „Bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung bestehen nach Lage der Akten durchaus gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Medikamentenlieferungen der Antragstellerin im Inland steuerbar und steuerpflichtig sein könnten“, heißt es in dem Beschluss aus dem Jahr 2009. In der Hauptsache ist der Fall, in dem es um eine Umsatzsteuerzahlung der Montanus-Apotheke geht, noch nicht entschieden.