Gütesiegel: 790 Euro für „Herausragende Apotheken 2021“ APOTHEKE ADHOC, 12.11.2020 13:33 Uhr
Gütesiegel gibt es bereits wie Sand am Meer. Jetzt versucht auch die Deutsche Gesellschaft für Verbraucherstudien (DtGV) zum ersten Mal ihr Glück im Apothekenmarkt. Die Studie „Herausragende Apotheken 2021“ richtet sich an Pharmazeuten im gesamten Bundesgebiet: 13.500 Kollegen erhielten in den letzten Tagen Post von der DtGV. Das Geschäftsmodell ist simpel: Apotheken können einen kurzen Fragebogen ausfüllen und erhalten nach bestandenem Test für 790 Euro für ein Jahr die Erlaubnis, das Testsiegel „Herausragende Apotheken 2021“ zu führen.
Für weitere 140 Euro können die teilnehmenden Apotheken einen „ausführlichen Bericht über die Detailergebnisse des eigenen Unternehmens auf allen getesteten Kriterien“ erwerben, so die DtGV. Die Testfragen sind so gestellt, dass ein Scheitern so gut wie ausgeschlossen ist. Bei der Lektüre der Fragen zeigt sich allerdings, dass die Autoren nicht ganz sattelfest im Apothekenmarkt unterwegs sind: Die Frage „Wie viele Filialen gehören zu Ihrem Unternehmen?“ kann beispielsweise mit einem Kreuz bei den vorgegebenen Antworten 1 Filiale, 2-5 Filialen, 6-10 Filialen oder mehr beantwortet werden. Nicht bekannt ist den DtGV-Experten offenbar, dass Apotheker maximal vier Apotheken in einem Filialverbund führen dürfen.
Auch bei der Abfrage der Servicequalität zeigen sich Wissenslücken: Auf die Frage „Bieten Sie folgende Serviceleistungen an?“ können Apotheken unter anderem mit einem Kreuz bei „Notdienst außerhalb der Öffnungszeiten“ antworten. Dass der Nacht- und Notdienst zum Pflichtprogramm jeder Apotheke gehört, ist beim DtGV scheinbar nicht bekannt – ebenso nicht, dass barrierefreie Zugänge zur Apotheke Voraussetzung für Betriebserlaubnis sind.
Nach Aussage einer DtGV-Mitarbeiterin ist es denn auch die erste Ausgabe und man gelobt Besserung. Wie viele Apotheken sich bereits für das Testsiegel interessieren, will man bei DtGV nicht exakt verraten – nur so viel: Es ist noch eine überschaubare zweistellige Anzahl. Ob sich die DtGV über ein gutes Geschäft mit den Apotheken freuen kann, bleibt daher bis zum 27. Novenber abzuwarten, dann endet die Abgabefrist. 790 Euro kostet die Nutzung des Testsiegels für ein Jahr, bei Filialverbünden 1290 Euro. Für 140 Euro extra können sich Apotheken die Auswertjung des zweiseitigen Fragebogens anschauen. Sollten alle 13.500 angeschrieben Apotheken mitmachen, ergäbe das rechnerisch immerhin einen DtGV-Umsatz von über 10 Millionen Euro.
Apotheken, die den Test bestehen, können sich das Gütesiegel ein Jahr lang ins Schaufenster hängen. „Eine Liste der herausragenden Apotheken findet sich nach Abschluss der Auswertungen auf unserer Website. Es werden ausschließlich jene Unternehmen veröffentlicht, die die Studie erfolgreich absolviert haben“, so die Firma weiter.
Apotheken, die die Mindestpunktzahl zum Erwerb des Testsiegels nicht erreichen, können „die detaillierten Bewertungen auf allen Kriterien gegen eine Schutzgebühr zu erwerben“. Ihr Abschneiden wird in diesem Fall nicht veröffentlicht, „weder auf unserer Website noch an einem anderen Ort“.
Apotheken können sich eine Reihe von Siegeln ins Schaufenster kleben. So zeichnet die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) besonders seniorengerechte Apotheken aus, quasi als Gegenstück gibt es den Verein „Babyfreundliche Apotheke“. Regelmäßig kürt das Deutsche Institut für Servicequalität (DISQ) die besten Apotheken, eine Zeitlang vertrieb auch eine Firma namens Tesalys entsprechende Siegel. Beim Deutschen Kundeninstitut (DKI) konnten sich Apotheken für 500 Euro Jahresbeitrag als „Top Apotheken vor Ort“ prämieren lassen.
Bekannt ist das Konzept von Warentest und Öko-Test; hier können die Sieger nach Abschluss eines Lizenzvertrags mit ihrem guten Abschneiden werben. 2019 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass nicht nur Hersteller für die Nutzung bezahlen müssen, sondern auch Händler, die das Qualitätszeichen verwenden wollen. Beide Siegel haben zahlreiche Trittbrettfahrer; der Splitterverband BVDA etwa kürte eine Zeitlang die „Medikamente des Jahres“, von denen es angesichts der zahlreichen Kategorien teilweise knapp 100 erste Plätze gab.