Ulmen-Apotheke, Löwen-Apotheke, Westfalen-Apotheke, zuletzt die Apotheke an der Spiekergasse – der harte Verdrängungswettbewerb hat in Gütersloh in den vergangenen Jahren schon einige Opfer gefordert. Nur eine Apotheke scheint es nicht im Geringsten zu kümmern. Woche für Woche bildet sich vor der Apotheke dank satter Preisnachlässe eine Warteschlange.
Jeden Montag bildet sich eine Warteschlange vor der Pluspunkt-Apotheke in Gütersloh. Oft müssen Menschen sogar auf der Straße warten, weil es in der Offizin nicht genügend Platz für all die Kunden gibt. Vor allem nachmittags müssen Schnäppchenjäger etwas Zeit und Geduld mitbringen, wenn sie von dem 20 Prozent Rabatt auf alles außer verschreibungspflichtige Medikamente profitieren wollen. Die Aktion erinnert stark an den bekannten früheren Praktiker-Werbeslogan und erfreut sich bei Güterlohern großer Beliebtheit. Woche für Woche sieht man mit faszinierender Zuverlässigkeit einen Pulk von Menschen vor der Apotheke.
Unter Kollegen sind solche preisaktiven Apotheken allerdings weniger beliebt. Vielmehr haftet ihnen das Image einer „Ramsch-Apotheke“ mit schlechter Beratungsqualität an. „Ganz klares Nein!“, sagt Michael Frink, Inhaber von Frink Business GmbH. Sein Unternehmen führt in Gütersloh jährlich einen „City Shopping Check“ durch. Jedes Jahr in den Wintermonaten besuchten Testteams die Gütersloher Einzelhändler, Restaurants und Cafés, um zu testen, wie es dort um Kundenfreundlichkeit und Service bestellt ist.
Beim aktuellen Check wurden nach Angaben des Unternehmens mehr als 220 Einzelhändler, Restaurants und Cafés unter die Lupe genommen. Von den getesteten Geschäften haben 68 Unternehmen es geschafft, 80 oder mehr Prozent der Anforderungen zu erfüllen und wurden mit Urkunden als „Kunden- und serviceorientierter(s) Einzelhändler / Restaurant / Café 2017“ ausgezeichnet. Waren im vergangenen Jahr noch drei Apotheken unter den ausgezeichneten Geschäften, hat in 2017 nur die Pluspunkt-Apotheke – wie bereits 2016 – es geschafft, die begehrte Urkunde zu erhalten.
Besonders bei der Diskretion würden die meisten Apotheken patzen, sagt Frink. Man habe schon öfter Apotheken gesehen, in denen Mitarbeiter Medikamente völlig offen und für Jeden sichtbar nach vorne tragen und auch noch rufen: „Frau Müller, hier haben Sie Ihre XY-Tabletten“. „Geht gar nicht“, findet der Unternehmensberater. In der Pluspunkt-Apotheke würden Rezepte und Arzneimittel äußerst diskret behandelt. Auch Beratung sei sachlich und fachlich gut gewesen. Es seien außerdem Alternativen angeboten worden. „Und das alles sehr freundlich“, fasst er die Ergebnisse der Tests zusammen.
Eine große Rolle für die Beliebtheit der Apotheke bei Kunden spielt auch die Preisgestaltung der Apotheke, gibt er zu. Bedenklich oder gar problematisch findet Frink das nicht. „Die Kunden achten heute sehr auf Preise. Damit die Leute kommen, muss man eben was tun“, sagt er nüchtern und bemüht das mittlerweile abgedroschene Sprichwort: Handel sei Wandel. Wenn „antiquierte Apotheker“ meinten, die Kunden würden nur deshalb kommen, weil die Apotheke gefühlt schon immer da war und hinter dem HV-Tisch ein „solider Mann im weißen Kittel“ steht, dann irrten sie sich.
Ob die Inhaber mehrerer Apotheken, die zuletzt in der Gütersloher Innenstadt geschlossen haben, allesamt „antiquiert und weißbekittelt“ waren, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Fakt ist: In den vergangenen Jahren hat eine Reihe von Pharmazeuten ihre Geschäfte im Stadtzentrum aufgeben. Ulmen-Apotheke, Löwen-Apotheke, Westfalen-Apotheke, zuletzt die Apotheke an der Spiekergasse sind mittlerweile Geschichte. Der Preiskampf, der durch die Eröffnung der Pluspunkt-Apotheke entstand, habe stark dazu beigetragen, dass sie schließen mussten, meint eine Apothekerin, die in einer Gütersloher Apotheke arbeitet.
„Die Pluspunkt-Apotheke hat vor fünf oder sechs Jahren aufgemacht“, berichtet sie. „Die Apotheken in der Umgebung, also auch wir, merkten sofort, wie preisaktiv sie war.“ Die neue Apotheke habe mit Kampfpreisen und Rabattaktion so aggressiv um die Gunst der Kunden gebuhlt, dass sich andere Apotheken unter Druck gesetzt fühlten, zumindest teilweise nachzuziehen. „Apotheken mussten ja irgendwie reagieren und steuerten eben ihrerseits mit Rabattaktionen gegen“, sagt die Apothekerin etwas ratlos.
Das Problem: „Keiner kann solche Rabatte lange durchhalten“, sagt sie. Denn die Pluspunkt-Apotheke gewährt nicht nur montags 20 Prozent Nachlass, sondern bietet einen sogenannten „Frühaufsteher-Rabatt“ an. Alle Kunden, die zwischen acht und neun Uhr in der Früh in der Offizin aufschlagen, bekommen zehn Prozent Preisnachlass. Außerdem gibt es in der lokalen Werbezeitschrift und auf der Homepage der Apotheke Coupons mit 15 Prozent Rabatt.
Dass die Apotheke damit ordentliche Umsätze erwirtschaftet, zeigt ihre Mitgliedschaft bei den Guten-Tag-Apotheken von Elac Elysée. Die Kooperation gilt als eine Art Golfclub unter den Apothekenkooperationen. Vor rund einem halben Jahr wurde die Eintrittsschwelle für die Mitgliedschaft erhöht: Wer bei den Guten-Tag-Apotheken mitmachen will, muss mindestens drei Millionen Euro Umsatz mitbringen und vor Ort Platzhirsch sein.
Dem Zwang, Preisnachlässe zu gewähren könne man sich jedenfalls nicht entziehen, meint die Apothekerin. Auch ihre Apotheke platziert in der Werbezeitung Rabatt-Coupons. „Es wäre schon mutig, da nicht mitzumachen“, findet sie. „Obwohl wir wirklich viel Wert auf Beratung legen, können auch wir nicht auf die Rabatte verzichten.“ Die Kunden würden es inzwischen regelrecht erwarten.
Die Pharmazeutin versucht aber, der Strategie der Pluspunkt-Apotheke auch positive Aspekte abzugewinnen. „Dadurch, dass sich Warteschlangen bilden und Menschen heutzutage sehr ungeduldig sind und nicht warten möchten, bis sie an der Reihe sind, kommen einige Kunden zu uns“, berichtet sie mit etwas Galgenhumor. Montags hätte man inzwischen mehr Kunden als an anderen Tagen.
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