Grundsatzurteil zur Desinfektionsmittel-Werbung Alexander Müller, 07.12.2022 14:29 Uhr
Desinfektionsmittel sind Biozide – was erstmal nicht besonders hautfreundlich klingt. Die Wettbewerbszentrale lässt daher in zwei Grundsatzverfahren vom Bundesgerichtshof (BGH) klären, ob „sanft zur Haut“ und ähnliche Aussagen in der Werbung zulässig sind.
Die Werbung für entsprechende Produkte ist in der Biozidverordnung geregelt. Grundgedanke ist, dass die Produkte in der Werbung nicht verharmlost werden. Denn Biozide sollen Schädlinge abtöten, können damit aber auch negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben.
Bestimmte Aussagen sind laut Wettbewerbszentrale sowohl für die Etiketten als auch für die sonstige Werbung unzulässig, etwa „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotential“ oder „umweltfreundlich“. Außerhalb dieser „Schwarzen Liste“ seien aber auch „ähnliche“ Hinweise unzulässig. Und genau diese Grenze will die Wettbewerbszentrale jetzt genauer abstecken.
In einem Verfahren ging es um die Aussagen „sanft zur Haut“, „hautfreundliche Produktlösung“ oder „Hautverträglichkeit“ in der Werbung für einen Desinfektionsschaum. Aus Sicht der Wettbewerbszentrale sind diese Aussagen gleichbedeutend mit den explizit verbotenen Aussagen wie „ungiftig“ oder „unschädlich“. Jedenfalls werde das niedrige Risikopotential herausgestellt.
Doch das Landgericht Mannheim und im Berufungsverfahren auch das Oberlandesgericht Karlsruhe sahen das anders: Die Aussagen seien den per se verbotenen nicht ähnlich; sie relativierten das Risikopotential des Produktes oder seiner Wirkungen und deren Schädigungseignung nicht pauschal. Vielmehr beschrieben die Aussagen – wenn auch insoweit sehr allgemein – die Produktwirkung auf ein spezifisches Organ, nämlich die Haut des Menschen. Das sei zulässig. Die Wettbewerbszentrale hat angekündigt, Revision beim BGH einzulegen.
Bereits im Sommer hatte das OLG Karlsruhe entschieden, dass der Begriff „hautfreundlich“ kein „ähnlicher“ und damit unzulässiger Begriff im Sinne der BiozidV sei. Die Angabe „Bio“ sowie die Bezeichnung als „ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“ hielt das Gericht aber mit Blick auf die Ähnlichkeit mit den generell verbotenen Aussagen wie „umweltfreundlich“ oder „natürlich“ für unzulässig. Die Wettbewerbszentrale will aber mehr und hat auch in diesem Fall Revision eingelegt. Es gehe um die Rechtssicherheit für die Branche. Der BGH wird in dieser Sache am 23. Februar 2023 verhandeln.