Während in den Standort des insolventen Gesine-Großhandels bald der Privatgroßhändler Kehr einzieht, gibt es weiter Wirbel um das Insolvenzverfahren: Ende Januar hatte Gesine Verfassungsbeschwerde gegen die Gerichtsbeschlüsse eingelegt. In einer Stellungnahme kritisiert Rechtsanwalt Wilhelm Klaas den Insolvenzrichter. Den Apothekern wird der Angriff kaum helfen: Insgesamt belaufen sich die Schulden auf rund 14 Millionen Euro – davon rund 5 Millionen auf die Genossenschaft.
Klaas von der Krefelder Kanzlei Klaas & Kollegen greift das Vorgehen des Gerichts bei der Anhörung zum Antrag auf Selbstverwaltung Anfang Dezember scharf an. In seinem 13-seitigen Bericht wirft er dem Richter ein unfaires Verfahren vor und beschuldigt ihn, die Selbstkontrolle verloren zu haben. Der Richter habe zudem in mehreren Punkten den Sachverhalt verfälscht dargestellt.
Der Richter „gibt der Öffentlichkeit einen Ablauf der Anhörung […] wieder, der tatsächlich nicht stattgefunden hat“, so Klaas. In der veröffentlichten Begründung über die Ablehnung der Selbstverwaltung des Insolvenzverfahrens der Apothekenkooperation sei der gleiche Wortlaut gewählt worden, obwohl der Termin 45 Minuten und nicht wie die erste Anhörung etwa sechs Stunden dauerte.
Der Richter habe „nach dem beliebten Motto 'copy and paste' für die Beschlussbegründung wortgetreu nahezu alle Ausführungen zu der Anhörung des Parallelverfahrens kopiert“, kritisiert der Anwalt. Zudem sei das Datum über den Vertrag mit Gehe nicht korrekt angegeben worden. Trotz „unverzüglichen Hinweises“ sei der Beschluss nicht sofort oder gar nicht korrigiert worden, so Klaas.
Auch E-Mails oder Faxe von Gesine seien als nicht beim Gericht eingegangen vermerkt worden. „Alle Auskünfte wurden erteilt, eine vollständige und ordnungsgemäße Zwischenschlussrechnung vorgelegt, Auflagen erfüllt“, so Klaas.
Das Amtsgericht Potsdam hatte Mitte Dezember den Antrag von Gesine auf Selbstverwaltung abgelehnt und die beiden Insolvenzverfahren eröffnet. Der zuständige Insolvenzrichter hatte damals betont, dass er sich nicht ausreichend über ein angeblich vorliegendes Sanierungskonzept informiert fühlte. Zudem lägen „ausreichend Umstände vor, die indirekt Nachteile für die Gläubiger befürchten lassen“, hieß es.
Die Frage, ob die Verfassungsbeschwerde angenommen wird, könnte einige Zeit dauern. Der zuständige Senat am Bundesverfassungsgericht (BverfG) muss in spätestens zwei Jahren darüber entschieden haben. Allerdings werden weniger als 2 Prozent der Anträge überhaupt angenommen.
Den Apothekern und den Gläubigern wird der Streit um die Wahrheit nichts bringen: Bei der AG waren zwei Dutzend Privatpersonen und Geschäftspartner beteiligt, darunter neben der Familie von Vorstandschefin Susanne Lorra und Vorstandskollege Dirk Ehrich der ehemalige Finanzchef Dr. Axel Krause-Ruthenberg, das Schweriner Apothekenrechenzentrum.
Beim Großhandel hatten rund 180 Genossen Anteile im Wert von je 25.000 Euro gezeichnet, dazu kommen Gesellschaftspartner wie die Parmapharm*. Nur aus dem Verkauf des Warenlagers an Kehr könnte noch Geld in die Kasse kommen. Allzu viel dürfte nach Abzug der Verfahrenskosten nicht übrig bleiben. Die Knapp-Anlage gehörte nicht dem Großhandel, sondern der Kooperation. Das Geld geht direkt an die Deutsche Leasing, die die Anlage finanziert hatte.
Größter Gläubiger ist die Mittelbrandenburgische Sparkasse. Außerdem haben rund 400 Lieferanten Ansprüche angemeldet, darunter an führender Stelle Novartis.
______________________________________________
* Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hatte es geheißen, Parmapharm sei stiller Gesellschafter bei der AG. Richtig ist aber eG. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
APOTHEKE ADHOC Debatte