Randnotiz

Genossenschaft mit Gänsehaut

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Berlin -

Die Noweda ist nicht nur ein erfolgreicher Großhändler, sondern als Genossenschaft auch eine eingeschworene Gemeinschaft. Zumindest wird dieses Image ziemlich erfolgreich gepflegt. Und wer weiter an seinem Image als Apothekerunternehmen feilen möchte, dreht am besten einen Imagefilm. Dabei darf auch mal ein bisschen dicker aufgetragen werden, das machen andere auch. Man kann es aber auch übertreiben: Der Noweda-Apothekerfilm.

Tiere und Kinder gehen immer. Ist eine alte Werbeweisheit. Und Viel hilft viel ist eine alte Volksweisheit. Also startet der Noweda-Imagefilm mit acht Kinderszenen: inhalierende Babys, fiebrige Kleinkinder, erkältete Schulkinder, alles dabei. Und das Beste: Allen wird geholfen. Von wem? Na, von wem wohl? Wanne Nummer 691929 rollt aus dem Noweda-Lager, Lieferschein gescannt, Pflaster drauf, alles wieder gut.

Noweda hilft auch den Großen: Die Brausetablette im Wasserglas ist zwar aus einem anderen Spot geborgt, aber wie die Balletttänzerin für ihren Einsatz fit gemacht wird, das ist schon großes Kino. Auch der Läufer kann dank Schmerzsalbe wieder laufen, die Apotheke hilft. Im Hintergrund läuft dazu so eine Brusthaar-in-den-Wind-Musik, wie man sie aus dem letzten Schlachten-Epos im Kino kennt.

Dann das große Finale: Eine ältere Dame mit trüben Augen geht unsicheren Schritts auf eine imposante Apotheke mit übergroßem Apotheken-A zu. Dass sie dort nur Hand- und Nagelsalbe erhält, kann die Dramatik der Szene nur kurz bremsen. Denn sie kommt ein zweites Mal in die Apotheke und übergibt dem Apotheker verlegen lächelnd einen Blumenstrauß.

Er lächelt zurück, geht um den HV-Tisch herum und umarmt die Kundin herzlich. Und während sie selig an seiner Brust liegt, kommt der Noweda-Fahrer. In der einen Hand trägt er die blaue Kiste wie ein Tablett mit Sektgläsern, in der anderen – eine Vase. Der Apotheker stellt den Strauß hinein, lächelt anerkennend, aber nur wenig überrascht. Der Fahrer lächelt ebenfalls als wollte er sagen: Ist doch selbstverständlich. Dann geht er mit Kiste und Vase ins Backoffice. Weißblende. Ende. Gänsehaut. Schüttelfrost.

Der Titel des Films kommt am Schluss: VERTRAUEN. GEMEINSAM. LEBEN. Die Interpunktion ersetzt vermutlich die Betonung. So wie in: Oh. my. God. Was auch passend wäre als Schluss. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Doch mit diesem Werk riskiert die Noweda die Aufnahme der Genossenschaftsidee in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit.

Bei der 77. Generalversammlung am 21. November präsentierte die Noweda ihren „stimmungsvollen Imagefilm“. Eigene Wahrnehmung: „Er erzählt auf emotionale Weise über das Leben mit Arzneimitteln. Neben der Noweda, die im Film ihre Leistungsfähigkeit präsentiert, wird das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und die Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker herausgestellt.“ Im Auditorium wurde eher gezischelt und gelacht.

Mal sehen, wie viele Apotheker auf das Angebot der Noweda zurückgreifen und ihren eigenen Imagefilm produzieren lassen. Das Video kann nämlich „für Sie und Ihre Apotheke nachgedreht werden“ und zwar „mit sehr wenig Aufwand“.

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