Drehen an der Skontoschraube Alexander Müller, 09.06.2015 14:55 Uhr
Typische Einkaufskonditionen der Apotheken verstoßen aus Sicht der Wettbewerbszentrale gegen das Arzneimittelpreisrecht. Beim Landgericht Aschaffenburg ist eine Klage gegen den Großhändler AEP direkt anhängig. Es geht um die Bedeutung von Skonti im Preisrecht. Das Verfahren ist für die gesamte Branche von größter Relevanz, denn andere Großhändler wagen sich mit ihren Angeboten teilweise deutlich weiter hinaus.
Seit der Umstellung ihres Honorars erhalten die Großhändler 3,15 Prozent auf den Herstellerabgabepreis sowie eine Fixpauschale von 70 Cent. Nur aus der variablen Spanne dürfen sie den Apotheken Rabatte gewähren. Aus Sicht der Wettbewerbszentrale sind Skonti aber den Rabatten zuzurechnen. Beides zusammen dürfe die Höchstgrenze nicht überschreiten.
AEP gewährt Apotheken bei Rx-Arzneimitteln 3 Prozent Rabatt sowie 2,5 Prozent Skonto bei fristgerechter Zahlung. Nach der Rechnung der Wettbewerbszentrale liegt die Gesamtkondition damit bei 5,5 Prozent – der zulässige Höchstrabatt sei damit überschritten. AEP zufolge ist das Skonto aber eben kein Rabatt, weil damit eine Gegenleistung verknüpft sei – die fristgerechte Zahlung.
Arzneimittelrechtsexperten wie Professor Dr. Elmar Mand unterscheiden zwischen „echten“ und „unechten“ Skonti. Bei letzteren fehlt es an einer nachvollziehbaren Gegenleistung, sie seien daher tatsächlich den Rabatten zuzurechnen.
Ob die Gerichte dieser Unterteilung folgen oder Skonto und Rabatt gleichsetzen, ist die Kernfrage im Skonto-Streit. Sollte in letzter Instanz der Bundesgerichtshof (BGH) Skonti eine Relevanz für das Preisrecht zusprechen, wären viele aktuelle Angebote der Großhändler nicht mehr zulässig.
So schickt die Noweda regelmäßig ihre 3+3 Angebote in die Apotheken. Für ausgesuchte Produkte erhalten die Kunden 3 Prozent Rabatt sowie 3 Prozent Skonto. Im Angebot sind meist günstige Schnelldreher, die für die Großhändler seit ihrer Honorarumstellung besonders attraktiv sind. Das Angebot gibt es immer wieder auch für eine kurze Zeit auf das ganze Rx-Sortiment bestimmter Generikahersteller.
Im Bestreben, an die lukrativen niedrigpreisigen Rx-Arzneimittel zu gelangen, hat auch Konkurrent Gehe seine Mittel: Bei dem Angebot „7bis7“ gibt es Sonderkonditionen auf alle Rx-Arzneimittel unter 7 Euro Apothekeneinkaufspreis. Zuzüglich zum Maximalrabatt von 3,05 Prozent erhalten die Apotheken auf diese Produkte einen sogenannten Dienstleistungsbonus von 3,95 Prozent – also unter dem Strich 7 Prozent Preisnachlass. Dazu müssen die Apotheker dem Großhändler allerdings sämtliche Abverkaufsdaten melden.
Bei Alliance Healthcare gibt es sogar 7 Prozent, ohne dass die Apotheken gegenüber ihrem Lieferanten blank ziehen müssen. Die ehemalige ANZAG arbeitet mit Preisstaffeln. Die Höhe des Skonto hängt dabei vom Einkaufspreis ab. Bis zu einem Einkaufspreis von etwas über 12 Euro gibt es 4 Prozent Skonto, zuzüglich zu einem Rabatt von 3 Prozent. Auf Arzneimittel bis zu einem Einkaufspreis von rund 26 Euro gewährt Alliance immerhin noch 3 Prozent Skonto, darüber nur noch 0,5 Prozent. Nach der Logik der Wettbewerbszentrale wäre sogar die letzte Preisstaffel unzulässig, da zusammen mit dem Rabatt eine Gesamtkondition von 3,5 Prozent auf dem Papier steht.
Hochpreiser sind bei diesem Angebot – wie eigentlich immer – ausgenommen. Da die Marge der Großhändler selbst gedeckelt ist, verdienen sie an teuren Produkten so gut wie nichts im Verhältnis zum finanziellen Risiko der Vorfinanzierung oder gar des Verlustes.
Ob 7bis7 von Gehe, 3+3 von Noweda, die Preisstaffel bei Alliance oder vergleichbare Angebote anderer Großhändler – alle diese Rabatt- und Skontomodelle stehen auf dem Prüfstand, wenn sich die Wettbewerbszentrale in ihrem Prozess gegen AEP durchsetzt. Die im Phagro zusammengeschlossenen Großhändler haben den neuen Konkurrenten wiederholt für dessen allzu transparente Konditionenpolitik kritisiert.
AEP will sich genau das zu Nutze machen und im Prozess zunächst versuchen, dass das Gericht die Klage der Wettbewerbszentrale als unzulässig abweist. Da die kritisierten Konditionen in der Branche üblich seien, fehle es an einer wettbewerbsrechtlichen Relevanz, so das Argument. AEP-Chef Jens Graefe hat schon angekündigt, notfalls zahlreiche Angebote der Konkurrenz auf den Tisch der Richter zu legen.
Bei der Wettbewerbszentrale ist man dagegen zuversichtlich, exemplarisch einen Fall vor Gericht durchfechten zu können. Eine letztinstanzliche Entscheidung des BGH wird aber erst in einigen Jahren erwartet. Bislang gibt es noch nicht einmal in Aschaffenburg einen Gerichtstermin.
Diskutiert wurde zuletzt auch über die strafrechtliche Relevanz der Konditionen. Hintergrund ist das Anti-Korruptionsgesetz für das Gesundheitswesen. AEP hatte mit dem Phagro und dessen Vorsitzenden Dr. Thomas Trümper zuletzt vor dem Landgericht Berlin über dessen Aussagen und Warnungen bezüglich der Strafbarkeit gesprochen. Schließlich einigte man sich in einem Vergleich. Trümper darf Apotheken nicht vor einem Bezug bei AEP warnen, sich aber weiterhin allgemein über das Gesetzesvorhaben äußern.