Großhandelskonditionen

Gutachten: Grundgesetz verbietet Extremskonto

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Berlin -

Über die Grenze des Zulässigen bei Großhandelsskonti wird in zwei Wochen wieder vor Gericht gestritten. Jetzt haben sich die Rechtsanwälte Dr. Ulrich Grau und Dr. Tobias Volkwein von der Kanzlei Dierks + Bohle in die Debatte eingeschaltet: Aus ihrer Sicht dürfen Großhändler durchaus Skonti zusätzlich zum maximal zulässigen Höchstrabatt gewähren, die Werte müssten allerdings marktüblich sein. Das Grundgesetz schütze die Großhändler vor zu hohen Skontosätzen – nur nicht vor sich selbst.

Vor dem Oberlandesgericht Bamberg (OLG) duellieren sich die Wettbewerbszentrale und der Großhändler AEP am 11. Mai in zweiter Instanz. Es geht um die Frage, ob eine Kondition von 3 Prozent Rabatt und 2,5 Prozent Skonto gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) verstößt. Die Wettbewerbszentrale ist der Auffassung, dass Skonti Rabatten gleichzusetzen sind. Die Großhändler dürften aber nur aus dem variablen Teil ihrer Marge Rabatte gewähren, maximal also insgesamt 3,15 Prozent. Die erste Runde vor dem Landgericht Aschaffenburg (LG) hat AEP gewonnen. Das Gericht erklärte überraschend sogar die Fixpauschale der Großhändler in Höhe von 70 Cent für rabattfähig.

Dass die komplette Großhandelsmarge für Rabatte zur Verfügung stehen soll, halten Grau und Volkwein für eine Fehleinschätzung des LG. Der Wortlaut lasse diese Interpretation zwar zu, die Gesetzesbegründung sei dagegen eindeutig: „Der preisunabhängige Bestandteil ist nicht rabattierbar.“ In einem früheren Entwurf sei der Zweck zudem deutlich benannt worden, nämlich „dass der Großhandel eine angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken sicherstellen kann“. Ein komplett disponibler Festzuschlag stünde dem Willen des Gesetzgebers entgegen, heißt es im Gutachten.

Auch andere Experten gehen deshalb davon aus, dass das OLG Bamberg und gegebenenfalls später der Bundesgerichtshof (BGH) in diesem Punkt anders entscheiden werden als das LG. Spannender ist die Frage, ob Skonti neben dem zulässigen Höchstrabatt von 3,15 Prozent gewährt werden dürfen oder nicht. Grau und Volkwein bezeichnen das Ergebnis der ersten Instanz in ihrem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Arzneimittel & Recht“ als „rechtlich nicht haltbar“.

Die Gutachter folgen dem LG allerdings in dem Punkt, dass es einen Unterschied zwischen dem Honorar der Apotheken und Großhändler gibt. Während Apotheker eindeutig einen einheitlichen Preis verlangen müssten, sei die Großhandelsregelung in der AMPreisV „offen“. Demnach seien Skonti auch über den prozentualen Honoraranteil hinaus zulässig. Damit werde der Zweck des Gesetzes zwar verletzt – aber nur für den einen Großhändler, der Rabatte in dieser Höhe gewähre. Das Gesetz bezwecke aber die Sicherstellung einer ausreichenden Vergütung des Großhandels im Allgemeinen.

Grau und Volkwein nehmen den Gesetzestext auseinander, legen Wortlaut, Historie, Systematik und Zweck der Regelung aus. Doch sie finden darin keine Anhaltspunkte, um Skonti zu begrenzen. Demnach wäre eine Kombination aus Rabatt und Skonto zulässig, die die prozentuale Marge von 3,15 Prozent übersteigt.

Allerdings finden die Gutachter einen verfassungsrechtlichen Hebel über einen Vergleich mit dem Direktgeschäft der Industrie: Hersteller dürfen Apotheken dabei nur „im Rahmen marktüblicher Bedingungen“ Skonti gewähren, wie aus der Begründung des Arzneimittelgesetzes hervorgeht.

Wenn Hersteller den Abgabepreis aber nur mittels marktüblicher Skonti unterschreiten dürften, müsse für Großhändler dasselbe gelten, argumentieren Grau und Volkwein. Denn das Grundgesetz sehe vor, dass „wesentlich Gleiches nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt“ werde. Daher muss laut den Gutachtern auch ein Großhandelsskonto immer „marktüblich“ sein.

Für die Beurteilung ist demnach immer der Zeitpunkt des Angebots entscheidend. Der Skonto müsse „sowohl hinsichtlich Art als auch Höhe“ marktüblich sein, heißt es im Aufsatz. Der Unterscheidung zwischen „echten“ und „unechten“ Skonti, wie sie etwa der Arzneimittelrechtsexperte Dr. Elmar Mand vornimmt, folgen die Gutachter an dieser Stelle nicht. Es gehe allein um die Marktüblichkeit. Bis zu 3 Prozent würden verbreitet als handelsüblich angesehen. Zwar könne man mit dem aktuell niedrigen Zinsniveau auch zu niedrigeren Werten kommen, relevant sei aber, was marktüblich sei.

Ob ein bestimmter Skontosatz unzulässig ist, muss Grau und Volkwein zufolge ein klagender Konkurrent selbst belegen: „Stört er sich an den Skonto-Bedingungen eines Mitbewerbers, ist er gut beraten, zügig dagegen vorzugehen. Ansonsten reguliert der Markt selbst das Geschehen beziehungsweise die Marktüblichkeit“, so das Fazit.

Im aktuell verhandelten Fall kann AEP mit dieser Sichtweise sicher leben. Die gewährten Einheitskonditionen tauchen so oder ähnlich überall im Markt auf. Andere Großhändler gewähren auf für sie attraktive Teilsortimente sogar deutlich höhere Skontosätze. Hier wäre allenfalls fraglich, ob die Gebühren und sonstigen Abzüge in den Konditionen mit den Rabatten und Skonti verrechnet werden können. Denn der Großhandel verlässt sich nicht nur auf das Grundgesetz, um seine Marge zu sichern.

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