Insolvenzverfahren

Pleite-Apotheker entkommt Gehe

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Berlin -

Der Großhändler Gehe hat einen insolventen DocMorris-Apotheker verklagt, der sich angeblich die Restschuldbefreiung in England erschlichen haben soll. Dirk Becker aus Berlin hatte seine Offizin wegen Zahlungsunfähigkeit geschlossen und Insolvenz in England beantragt. Der Stuttgarter Großhändler wirft dem ehemaligen Kunden vor, seinen Wohnsitz nur zum Schein ins Ausland verlegt zu haben. Die Klage wurde vom Landgericht Berlin abgewiesen.

Becker war Inhaber der DocMorris-Apotheke in Berlin-Köpenick und über mehrere Jahre hinweg von Gehe beliefert worden. Im März 2009 stellte der Großhändler offene Beträge von insgesamt rund 330.000 Euro fällig, lieferte aber zunächst weiter. Becker wollte die Apotheke nach eigenen Angaben angesichts seiner finanziellen Schieflage eigentlich abgeben. Doch der Verkauf scheiterte, Becker setzte sich ins Ausland ab.

Im November teilte er dem Großhändler mit, die noch offenen Forderungen nicht begleichen zu können. Außerdem sei er in den Ort Kingston upon Hull in den Nordosten Englands gezogen.

Im Januar 2010 stellte er dort einen Insolvenzantrag. Damit eröffnete er sich die Chance, bereits nach einem Jahr von der Restschuld befreit zu werden – in Deutschland kann der Prozess sechs Jahre dauern. Vertreten wurde er von einem auf EU-Insolvenzrecht spezialisierten Rechtsanwalt aus Berlin.

Gehe hatte bereits im Mai 2009 – wenige Tage vor dem EuGH-Urteil zum Fremdbesitzverbot – die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Doch die Celesio-Tochter scheiterte letztendlich, weil der Fall erst noch an ein anderes Gericht verwiesen wurde: Als im Juni 2010 über den Antrag entschieden wurde, lief das Verfahren in England bereits. Anfang 2011 erhielt Becker eine sogenannte „discharge“, was der deutschen Restschuldbefreiung gleichkommt.

Der Großhändler wollte die Entscheidung nicht akzeptieren. Gehe wirft dem Apotheker vor, während des Insolvenzverfahrens nur zum Schein eine Adresse in England angegeben zu haben. Stattdessen habe Becker in Berlin gewohnt. Er habe sich dem Insolvenzverfahren in Deutschland rechtsmissbräuchlich entzogen. Die Insolvenzverfahren der beiden Ländern sind laut Gehe zudem nicht funktional vergleichbar.

Das Landgericht zweifelte die englische Restschuldbefreiung jedoch nicht an: Gehe habe nicht ausreichend belegen können, dass Becker nur zum Schein in England gelebt habe. Dass seine Familie in Deutschland geblieben sei und dass Becker im Vorstand des Vereins „Der Cöpenicker“ geblieben sei, seien keine Belege: Selbst längere Aufenthalte in Deutschland könnten als Besuche zu werten sein.

Becker war laut eigenen Angaben bis Januar 2012 als Vertretungsapotheker bei der Celesio-Kette Lloyds und als angestellter Apotheker bei Boots tätig. Die Richter werteten die Tätigkeitsnachweise zwar nicht als stichhaltigen Beweis für die Verlagerung seines Lebensmittelpunktes nach England.

„Entscheidend gegen einen Wohnsitz in Berlin oder Deutschland spricht der Umstand, dass die Klägerin keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen hat, dass der Beklagte während des in England laufenden Insolvenzverfahrens etwa in Deutschland eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hätte“, heißt es in der Urteilsbegründung.

Außerdem musste Gehe sich noch ankreiden lassen, die Belieferungen nicht eher eingestellt zu haben: Wäre die Apotheke nicht geschlossen worden, wären die Schulden womöglich sogar noch höher ausgefallen, so die Richter. „Ein 'normaler' Gläubiger hätte wesentlich früher die Geschäftsbeziehung beendet.“ Insofern erscheine Gehe „weniger schutzwürdig als ein sich 'normal' verhaltender Gläubiger“.

Den Vorwurf von Gehe, die Informationen zum britischen Insolvenzverfahren nur auf Englisch erhalten zu haben, ließen die Richter gleich gar nicht gelten. Bei einem großen Unternehmen sei zu vermuten, dass „dieses über der englischen Sprache kundige Mitarbeiter verfügt“. Ob man in Stuttgart Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird, ist noch nicht entschieden.

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