Noweda: GDP-Tricks auf dem Aldi-Parkplatz? Lothar Klein, 08.06.2016 09:51 Uhr
Schwere Vorwürfe gegen die Noweda: Ein Spediteur beschuldigt die Genossenschaft, in der Niederlassung in Münster bei einer Inspektion durch die Bezirksregierung im vergangenen Dezember getrickst und getäuscht zu haben. Die Noweda weist die Anschuldigungen zurück, doch der Dienstleister bleibt bei seiner Darstellung.
Danach wurden das Noweda-Lager und die Auslieferungsfahrzeuge der einzelnen Spediteure am 8. Dezember 2015 von der Bezirksregierung Münster kontrolliert. Erstaunlich findet Mario Surmann, Disponent der Spedition, dass „solche Kontrollen vorher angemeldet werden“. Somit sei genug Zeit gewesen, um „einige brisante Mängel an den Fahrzeugen zu vertuschen“.
Kurz vor der Kontrolle seien Hinweisschilder in Fahrzeuge geklebt worden, die belegen sollten, dass diese der Übergangslösung zur GDP-Norm genügten. Die Schilder wurden zurückdatiert auf dem 25. August 2015. „Es sollte den Anschein erwecken, dass die Schilder schon lange im Fahrzeug kleben“, so Surmann gegenüber APOTHEKE ADHOC. Allerdings hätten einige Fahrzeuge gar nicht über die geforderte Klimaanlage verfügt.
Vor der angesetzten Kontrolle seien einzelne Fahrer zudem aufgefordert worden, am 8. Dezember nicht das Noweda-Lager, sondern den Aldi-Parkplatz in der Nähe anzufahren. Surmann: „Nicht GDP-konforme Fahrzeuge oder Fahrzeuge ohne eine Übergangslösung durften an diesem Tag nicht auf dem Gelände der Großhandlung auftauchen.“ Stattdessen seien diese auf dem Parkplatz von Shuttle-Transportern der Noweda beladen worden. „Schließlich sollten ja alle Apotheken ihre Ware bekommen“, so Surmann.
Ein Sprecher der Noweda wies den Vorwurf, die Niederlassung in Münster halte sich nicht an die GDP-Richtlinien, zurück. Man behalte sich rechtliche Schritte gegen diese Aussage vor. Die Bezirksregierung sah sich trotz mehrfacher Nachfrage nicht in der Lage, zur Durchführung der Kontrolle am 8. Dezember und zum Ergebnis eine Stellungnahme abzugeben.
Zwischen den Beobachtungen auf dem Aldi-Parkplatz und der Kündigung des Vertrages mit der Noweda wegen der Bezahlung für die Touren sieht Surmann einen Zusammenhang: „Man kündigt eine Firma, die klar signalisiert hat, GDP-Fahrzeuge zu kaufen, und sogardie als erste Firma alle vorhandenen Fahrzeuge auf eigene Kosten mit einer Übergangslösung ausgestattet hat. Im Gegenzug bekommen Firmen, die günstiger fahren – was sich dann aber deutlich in der Qualität des Fuhrparks widerspiegelt –, die Aufträge.“ Laut Surmann ist bei einem Transporter einer anderen für Noweda fahrenden Spedition seit Monaten der TÜV abgelaufen.
Seit 2008 lieferte auch die Transportfirma aus Rheine für den Großhändler Arzneimittel für die Apotheken im Münsterland und dem Emsland aus. Seit Jahresbeginn ist damit allerdings Schluss. Da Noweda die ohnehin schon knappen Preise nochmals drücken wollte, stieg der Logistiker aus dem jahrelangen Vertrag aus. Um satte 11 Prozent wollte Noweda nach Berechnungen des Disponenten die monatlichen Zahlungen mit dem neuen „Münster-Modell“ (MS) kürzen. Damit wäre der Transporteur geradewegs in die roten Zahlen gefahren.
Dazu befragt nahm Noweda wie folgt Stellung: „Im Sinne unserer Mitglieder prüfen wir regelmäßig unsere Kostenstrukturen, was auch die für uns tätigen Speditionen betrifft. Im September 2015 gab es vor diesem Hintergrund ein Gespräch mit der Firma aus Rheine. Nachdem es zu keiner Einigung kam, entschied sich die Noweda Münster für das Angebot eines anderen Spediteurs. Über einen Monat später, Ende Oktober 2015, kam der Spediteur nochmals auf uns zu, um uns aufgrund gefallener Dieselpreise in den Kosten doch entgegen zu kommen. Da wir dem neuen Anbieter verbindlich zugesagt hatten und es nicht dem Geschäftsgebaren der Noweda entspricht, sich kurzfristig und zum Schaden eines neuen Partners aus dem Vertrag zurückzuziehen, sind wir auf die Nachverhandlung nicht mehr eingegangen.“
Circa 20.000 Euro Umsatz im Monat fuhren nach Surmanns Angaben die fünf für Noweda fahrenden Transporter im Durchschnitt des letzten Jahres ein. Zum Jahreswechsel wollte Noweda das bisherige Bezahlsystem auf das neue MS umstellen. Angeboten wurden Disponent Surmann ein Kilometerentgelt von 0,46 Euro für Touren über 100 Kilometer und 0,48 Euro für kürzere Fahrten.
Bis Ende 2015 zahlte Noweda nach Angaben des Spediteurs im sogenannten Kombi-Modell einen Stundenpreis von 12,81 Euro plus Kilometergeld je nach Transportergröße zwischen 0,261 Euro und 0,31 Euro. Nach den Berechnungen des Spediteurs kostet das MS bei unveränderten Touren Monat für Monat circa 2575 Euro Umsatz. „Mit dem alten Kombi-Modell, welches von Noweda selber erstellt wurde, waren unsere Kosten gerade gedeckt. Gewinn gemacht haben wir damit auch schon nicht“, so Surmann. „Für 2575 Euro weniger können wir nicht mehr für Noweda fahren.“
Dass der Fahrer auch früher schon ohne pekuniären Gewinn für die Noweda-Niederlassung in Münster Arzneimittel ausgefahren hat, erklärt Surmann mit dem Imagegewinn für seine Firma: „Logistiker, die auch Arzneimittel fahren, gelten in der Branche als seriöse Adresse.“ Das habe dem Unternehmen gerade in der Aufbauphase genutzt.
Neben den fünf Noweda-Transportern sind weitere 28 Fahrzeuge der Spedition teilweise europaweit unterwegs. Weil das Unternehmen breit aufgestellt ist, kann es nicht nur den Noweda-Abgang verschmerzen, sondern auch Vergleiche anstellen: Für die Lieferungen eines anderen Kunden werde das 2,5-Fache des Noweda-Angebots bezahlt. Selbst Paketdienste zahlten besser als Noweda, berichtet Surmann.
Einen möglichen Rechtsstreit mit Noweda, weil er mit seinen Informationen an die Öffentlichkeit ging, will Surmann durchstehen. Noweda habe bereits versucht, Druck auf die Spedition auszuüben. Der Aufforderung, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, hat die Firma abgelehnt.