Großhandel

Apotheker attackiert Gehe

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Berlin -

Enden Geschäftsbeziehungen zwischen Apothekern und Großhändlern im Streit, werden mitunter die Messer gewetzt. Gehe wirft aktuell einem Apotheker aus Berlin vor, Ansprüche aus seinen zwei Apotheken als Sicherheit nicht nur an die Stuttgarter, sondern parallel an andere Gläubiger abgetreten zu haben. Vor Gericht drehte der Apotheker jetzt den Spieß um. Er unterstellt dem Großhändler, sich auf das Risiko eingelassen zu haben, um sich Umsätze zu sichern. Außerdem habe Gehe bewusst falsch abgerechnet.

Schon im April 2012 wurde Apotheker Klaus Holst vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf Kaution ist er derzeit auf freiem Fuß. Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Berlin will er zeigen, dass Gehe von der Doppelabtretung gewusst hatte.

2007 hatte Holst noch vier Apotheken geführt: eine DocMorris-Apotheke in Berlin, die Avitario-Apotheke in Hennigsdorf sowie die Spree-Apotheke in Berlin und die Stahl-Apotheke in Hennigsdorf. In beiden letzteren Apotheken soll Gehe Anfang 2007 vom Zweit- zum Hauptlieferanten geworden sein. Dabei wurden auch die Schulden des Apothekers in Höhe von 50.000 Euro vom früheren Großhändler Phoenix übernommen.

Der Apotheker, der auch als Großhändler unter anderem für Actavis-Ware und in der Automobilbranche tätig gewesen sein soll und wegen Abrechnungsbetrugs verurteilt wurde, war offenbar in Geldnot geraten und hatte 2008 mit Gehe eine Stundung der Forderungen vereinbart. Der Großhändler meldete daraufhin einen Eigentumsvorbehalt für die gelieferte Ware und Ansprüche beim Rechenzentrum des Apothekers an.

Die Spree- und Stahl-Apotheke sicherte sich Gehe als Pfand: Laut Gericht unterschrieb der Apotheker 2008 eine Vereinbarung, wonach Gehe im Falle einer Weitergabe der Apotheken den Kaufpreis beziehungsweise den Pachtzins erhalten sollte. Außerdem wollte der Großhändler im Fall eines Verkaufs vorher informiert werden.

Gehe lieferte daraufhin weiter Medikamente, die Holst laut Anklage weiterverkauft haben soll. Das Geschäftsverhältnis endete um Weihnachten 2009 mit einer Räumung der Warenlager. Holst soll laut Gericht zuvor mehrfach das Rechenzentrum gewechselt haben. Anfang 2010 verkaufte er letztlich die beiden Apotheken für insgesamt rund 120.000 Euro.

Insgesamt ist Gehe laut Gericht ein Schaden von 666.000 Euro entstanden. Laut Gehe-Rechtsanwalt Arndt Tetzlaff macht der Großhändler sogar 900.000 Euro geltend. Laut Holst belaufen sich die Forderungen auf 750.000 Euro.

Vor Gericht geht es aber nicht um die Höhe der Schulden, sondern um die Betrugsvorwürfe. Dem Gericht zufolge hatte Holst den Verkaufspreis für die Spree-Apotheke zuvor bereits an die Sanacorp und für die Stahl-Apotheke an die Apobank abgetreten. Laut Tetzlaff hat das Unternehmen von der Doppelabtretung nichts gewusst. Auch vom Verkauf will der Großhändler erst später erfahren haben.

Der Apotheker bestreitet die Vorwürfe. In der Vereinbarung habe es zwar eine Passage gegeben, in der er versichern musste, seine Apotheken nicht als Pfand an Dritte abgegeben zu haben oder abzugeben. Doch die Vertragstexte seien von Gehe vorformuliert gewesen. Der Großhändler habe ihm gedroht, die Lieferung einzustellen. „Mir blieb nichts anderes übrig, als zu unterschreiben“, so Holst. Gehe habe immer von der Doppelabtretung gewusst; es liege daher weder Täuschung noch Vorsatz vor.

Der Apotheker unterstellt dem Großhändler verschiedene Motive: Gehe habe in dieser Zeit wegen wirtschaftlicher Probleme keine weiteren Umsätze verlieren wollen. Mit seinen beiden Apotheken habe er monatlich rund 400.000 Euro umgesetzt. Zudem spielte laut Holst die Hoffnung des Gehe-Mutterkonzerns Celesio auf den Fall des Fremdbesitzverbots in Deutschland eine Rolle: „Das stand klar dahinter, man wollte den Zugriff auf mehrere Apotheken haben.“ Doch dieser Plan sei eine „grandiose Fehlkalkulation“ gewesen.

Der Apotheker erhebt seinerseits Betrugsvorwürfe: Gehe habe vereinbarte Rabatte in Höhe von mehreren Tausend Euro pro Monat nicht gewährt. Das sei kein Versehen, sondern Vorsatz gewesen. Die geringeren Rabatte und die bewusste Doppelabtretung könnten mindestens sechs weitere Apotheker aus eigener Erfahrung bestätigen, so Holst.

Gehe weist diese Anschuldigungen zurück. „Die jetzigen Behauptungen von Herrn Holst sind offensichtlich seiner Verteidigungsstrategie geschuldet, nachdem er in erster Instanz wegen Betrugs zu Lasten von Gehe zu einer Haftstrafe verurteilt worden ist“, sagt eine Sprecherin.

Gestern wurden in Berlin verschiedene Zeugen gehört, in der kommenden Woche soll der Prozess fortgesetzt werden. Insgesamt laufen laut Tetzlaff in dem Fall sechs Verfahren vor vier Gerichten. Betroffen sind auch die neuen Apothekeninhaber – Gehe mutmaßt, dass Holst bewusst weit unter Wert verkauft hat.

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