Der Start des neuen Großhändlers AEP direkt wurde von den Konkurrenten noch betont gelassen zur Kenntnis genommen. Ein halbes Jahr und 1000 Kunden später ist klar, dass das Projekt wohl keine Eintagsfliege ist. So musste der Newcomer zuletzt massive Kritik einstecken: Das Geschäftsmodell gefährde die Strukturen, warnten Noweda, Sanacorp und selbst die ABDA unisono. In Alzenau kann man die Aufregung nicht verstehen: Niemand habe behauptet, dass Apotheken mit einer Lieferung auskommen müssten, sagt AEP-Chef Jens Graefe.
ADHOC: Es gab zuletzt viel Kritik an AEP. Verstehen Sie das?
GRAEFE: Die Kritik kam vom Wettbewerb, nicht von unseren Kunden. Insofern ist das grundsätzlich verständlich. Die Argumente können wir allerdings selten nachvollziehen. Einzig sachlich richtig ist, dass wir nur einmal am Tag liefern. Das ist aber keine neue Nachricht. Vor allem aber behaupten wir nicht, dass wir alle Apotheken damit alleine glücklich machen. Es gibt Apotheken, denen reicht eine Lieferung, es gibt Apotheken, denen reicht es nicht. Der Markt ist nicht schwarz oder weiß. AEP ist eine zusätzliche Alternative, die allen Apotheker attraktive Konditionen zugänglich macht, transparent, ohne Tricks, und das langfristig. Jeder Apotheker muss selbst auswählen, wie er seine individuelle Lieferstrategie organisiert und mit wem er dabei zusammenarbeitet.
ADHOC: Riskieren Apotheker mit AEP ihren Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Versandhandel?
GRAEFE: Nein. Das ist eines dieser Argumente, das ich gar nicht verstehe. Es gibt doch längst Apotheken, die sich nur einmal am Tag beliefern lassen oder beliefert werden. Übrigens auch bei Wettbewerbern, die jetzt vor AEP warnen. Darüber redet natürlich niemand. Kühlware liefern wir übrigens sogar schneller als die Konkurrenz. Aber abgesehen davon: Kein Kunde wechselt in den Versandhandel, weil die Apotheke einmal ein Medikament bestellen muss. Und der Versandhandel liefert auch nicht über Nacht an den Endkunden, sondern braucht zwei bis drei Tage. Dieses Argument ist wirklich an den Haaren herbeigezogen.
ADHOC: Müssen AEP-Kunden mehr Kapital in ihr Warenlager stecken?
GRAEFE: Im Sinne einer optimalen Lieferfähigkeit muss sich jeder Apotheker immer mit seinen Abverkäufen und seiner Beschaffungsstrategie beschäftigen. Und da gibt es, so habe ich jedenfalls den Eindruck, so viel Strategien wie es Apotheken gibt. Ich kenne aber bislang keinen Fall, in dem die Kapitalbindung infolge des Wechsels zu AEP gestiegen wäre. Die Besorgerquote ist ohnehin gering, sie liegt heute im Durchschnitt gerade einmal bei 10 Prozent.
ADHOC: Ist AEP ein Rosinenpicker?
GRAEFE: Definitiv nicht, wieder eines dieser Argumente, dass so offensichtlich falsch ist. Wir liefern alles, wir sind ein Vollsortimenter. Und wir sind der einzige Großhändler, der gerade nicht steuert, was bestellt wird: Wir sind mit unseren Konditionen völlig sortimentsneutral, ohne einen Malus auf zum Beispiel BTM, Kühlware, Langsamdreher oder sogenannter Aktionsware – während die Wettbewerber mit komplizierten Preisstrategien versuchen, verschiedene Produktgruppen unattraktiv zu machen und andere zu pushen. Damit wird der Apotheker in seinem Bestellverhalten gesteuert und benachteiligt.
ADHOC: Die Konkurrenz wirft Ihnen vor, mit ihrem Konzept auf Schnelldreher zu zielen, und sieht sich selbst als Lückenbüßer für selten nachgefragte Artikel.
GRAEFE: Wenn ich die letzten Briefe aller Wettbewerber an die Apotheker richtig verstanden habe, werden im Moment nicht nur die Konditionen gekürzt, sondern es wird auch versucht, preisgünstige und schnelldrehende Produkte zu gewinnen und den Durchschnittspreis zu senken. Der Wettbewerb tut selbst das, was er uns vorwirft. Und noch ein Fakt: Wir haben ein Portfolio an Produkten, die bisher bei uns nicht bestellt wurden. Insofern: Gerne mehr selten nachgefragte Artikel bei uns bestellen!
ADHOC: Dr. Herbert Lang von der Sanacorp warnt vor einem „Race to the bottom“.
GRAEFE: Hier versucht jemand, den Apothekern vorzuschreiben, wie sich verhalten sollen. In Wirklichkeit geht es doch um Angebot und Nachfrage: Solange es Kunden gibt, die die Servicequalität der Sanacorp wollen und bereit sind diese zu bezahlen, und zwar so, dass dieses Unternehmen auch langfristig positiv wirtschaften kann, müssen die Kollegen ihre Leistungen nicht herunterfahren.
Nur wenn keiner mehr das Serviceniveau nachfragt, würde es verschwinden. So funktioniert Wettbewerb. Aber das sollten alleine die Apotheker entscheiden, die mündig genug sind, sich ihr eigenes Bild zu machen. Ich glaube nicht, dass die Apotheken vorgeschrieben bekommen müssen, was gut für sie ist. Bislang habe ich jedenfalls eher den Eindruck und bekomme das Feedback, dass unser zusätzliches Angebot überfällig war.
ADHOC: Wie finden Sie die Einlassungen der ABDA?
GRAEFE: Wir sehen das als Einzelmeinung. Offiziell verhält sich die ABDA nach unserer Wahrnehmung sehr neutral und fair. Ich kann mir weder vorstellen, dass die ABDA an der Behinderung von AEP ein Interesse hätte, noch, dass die ABDA einen Boykott ausrufen würde. Dies wäre ja auch kartellrechtlich relevant. Schließlich erhöhen wir den Ertrag der Apotheker, die von der ABDA vertreten werden. Und wir sprechen regelmäßig mit Funktionsträgern und erfahren eine Menge Sympathie und Unterstützung.
ADHOC: Lobbyieren Sie für Ihr Geschäftsmodell?
GRAEFE: Wir machen keine Lobby. Richtig ist: Wir haben vor dem Start den relevanten Gesprächspartnern in Berlin unser Modell erläutert, das ist ja bei einem solch sensiblen Thema wie der Arzneimittelversorgung ganz normal.
ADHOC: Ihr kostengünstigeres Konzept hat offenbar Begehrlichkeiten geweckt.
GRAEFE: Begehrlichkeiten weckte bei den Gesprächen eher die Rabattschlacht des bestehenden Großhandels. In unseren Gesprächen wurden uns dazu jedenfalls umfangreiche Fragen gestellt. Aber warum sollten wir Interesse daran haben, dass Geld aus dem System genommen wird?
ADHOC: Trotzdem gibt es jetzt eine Debatte um die im internationalen Vergleich angeblich zu hohen Distributionskosten.
GRAEFE: „Zu hohe“ Distributionskosten ist falsch, „vergleichsweise hohe“ ist sachlich richtig. Aber man kann den deutschen Markt nicht mit dem amerikanischen vergleichen. Genauso wenig sollte man in Hinblick auf die Effizienz auf Griechenland zurückgreifen: Mein Eindruck der Diskussionen der letzten Jahre war nicht, dass dieses Land das Zentrum von effizienten Systemen ist. Abgesehen davon: Warum sollte die Politik überhaupt über die Lieferfrequenz im Pharmagroßhandel entscheiden? Innerhalb der gesetzten Rahmenbedingungen kann jeder so agieren, wie er es für richtig hält.
ADHOC: Glauben Sie, dass AEP den Markt verändern wird?
GRAEFE: AEP wird den Markt nicht verändern, sondern hat es schon! Sonst wären auch nicht alle plötzlich so aufgeregt. Hat nicht anfangs keine Glühbirne gezittert? Und jetzt scheint es bei den öffentlichen Äußerungen des Wettbewerbs ja kein anderes Thema als AEP mehr zu geben. Es wird ganz sicher Marktverschiebungen geben, das ist völlig klar. Ich denke, man erkennt allmählich, dass wir Teil dieser Veränderungen sind. Wir sind da und wir bleiben. Aber wir werden die Struktur der Arzneimittelversorgung nicht verändern. Es wird weiter die gleichen Arzneimittel geben und die gleichen Apotheken.
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