Großhändler streichen Touren Patrick Hollstein, 06.04.2011 11:23 Uhr
Zwei Tagestouren und eine Nachttour gehören für Apotheken zum Standardprogramm des Hauptlieferanten. Doch die Ertragslage der Großhändler steht wegen des Zwangsabschlags von 0,85 Prozent weiter unter Druck, zumal der Sparbeitrag offenbar nicht komplett an die Apotheken durchgereicht werden konnte. Verhandelt wird daher jetzt über Kondition und Leistung gleichermaßen. Vor allem der größte Kostenblock, die Tourengestaltung, steht zur Diskussion. Offiziell traut sich in der Branche fast niemand aus der Deckung.
Rund 1,1 Prozent des Umsatzes entfallen bei den Großhändlern auf die Logistikkosten; Niederlassungen, die auf mehr als 1,4 Prozent kommen, haben schnell ein Problem. Bereits vor Jahren haben die meisten Vollversorger den Transport an Subunternehmer ausgegliedert, um so Kosten zu sparen.
Während die Vorgaben in den Großstädten bis zu vier Lieferungen pro Tag zulassen, wird bei Touren auf dem Land immer wieder an Lieferplänen und Unterverteilern gearbeitet. Seit Mitte vergangenen Jahres, als das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) Konturen annahm, wird intensiv diskutiert, welches Leistungsvolumen künftig noch möglich ist.
Der Stuttgarter Pharmagroßhändler Gehe wird künftig seltener bei seinen Kunden vorfahren. Weil der Mutterkonzern Celesio die Logistikkosten um einen zweistelligen Millionenbetrag senken will, sollen auch in Deutschland die Prozesskosten reduziert werden. „Ziel ist insgesamt eine bessere Transporteffizienz, also eine höhere Profitabilität, bei mindestens gleichbleibender Qualität“, sagte der scheidende Konzernchef Dr. Fritz Oesterle.
Bei den rund 7000 Gehe-Kunden in Deutschland soll die Zahl der Touren pro Tag von 3,2 im Durchschnitt auf 2,2 sinken. Die Versorgung der Kunden soll nach Angaben eines Gehe-Sprechers nicht berührt werden; die Servicelevels würden weiterhin individuell nach Bedarf des Kunden verhandelt.
Bei der Sanacorp werden die Touren derzeit intern optimiert, da es keine größeren Auswirkungen für die Kunden geben soll. Einsparungen seien dringend notwendig, um die aktuell stark steigenden Treibstoffkosten zu kompensieren, heißt es aus dem Unternehmen. Generell würden Anpassungen aber individuell und mit Augenmaß vereinbart, so dass weiter ein optimaler Mix aus Service inklusive Belieferung und Kondition geboten werden könne.
Bei einer Reduzierung der Touren müssten allerdings wegen größerer Liefermengen unter Umständen auch andere Fahrzeuge eingesetzt werden, gibt man in München zu bedenken. Maximal die Hälfte der Logistikkosten ließen sich einsparen, selbst wenn alle Kunden auf einer Tour die Veränderungen akzeptierten und ihr bisheriges Bestellvolumen aufrecht erhielten. Streichungen bei einzelnen Kunden einer Tour brächten dagegen keine maßgeblichen Einsparungen.
Auch bei anderen Großhändlern steht das Thema auf der Tagesordnung, allerdings wird nur ungern darüber gesprochen. Man äußere sich nicht öffentlich zu den Details der Kundenbeziehungen, werde aber „weiterhin den höchstmöglichen Lieferservice bieten, der für die individuelle Versorgungssituation der Apotheken nötig ist“, heißt es in bekannter Unverbindlichkeit bei der Phoenix.
Auch die Anzag nimmt nach Angaben eines Sprechers in Abstimmung mit den betroffenen Apotheken fortlaufend Optimierungen vor; wegen der wirtschaftlich angespannten Situation der Kunden sei man damit aber aktuell sehr zurückhaltend. Einseitig vorgenommene Tourenkürzungen seien generell ausgeschlossen, zumal die Belieferung Teil des Wettbewerbs sei.
Bei der Noweda gibt es nach Angaben einer Sprecherin keine Pläne für eine grundsätzliche Reduzierung der Touren. Vielmehr hätten Kunden nach eigener Effizienzprüfung eine Reduzierung vorgeschlagen. Dieser Logik zufolge wäre Noweda-Chef Wilfried Hollmann erfolgreich gewesen, als er die Mitglieder im November auf einen gemeinsamen Sparkurs einschwor.
Kurz zuvor hatte die Noweda mit dem Bau einer neuen Niederlassung in Peine begonnen, von der aus ab Herbst Kunden im südlichen Niedersachsen schneller beliefert werden sollen. Auch die Anzag rückt mit einer neuen Niederlassung in Irxleben bei Magdeburg demnächst näher an die Apotheken in Sachsen-Anhalt heran.