Apotheken im Visier

Großhändler: So viele Rücklastschriften wie nie Carolin Ciulli, 25.11.2024 10:38 Uhr

Minus beim Großhändler: Immer mehr Apotheken können ihre Warenlieferungen nicht rechtzeitig zahlen. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Wenn es den Apotheken wirtschaftlich nicht gut geht, spüren auch die Großhändler die Auswirkungen. Die Zahlungsausfälle bei den Kunden nehmen zu – so deutlich, dass die Lieferanten genau hinsehen, wenn plötzlich Umsätze im fünf- bis sechsstelligen Bereich wegfallen. „Die ganze Branche stöhnt“, sagt ein Insider.

Der Pharmagroßhandel ächzt wegen der wachsenden Zahlungsschwäche der Apotheken. Grundsätzlich hätten die Betriebe zwar noch ein gutes Ranking, sagt der Branchenkenner. Doch Fakt sei: „Es gibt so viele Rücklastschriften wie noch nie. Das ist schon bedenklich.“ Die Entwicklung habe vor etwa zwei Jahren begonnen und die Ausfälle seien gestiegen. Der Trend habe nichts mit dem Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu tun.

Doch die Entscheidung, die Nachlässe zu begrenzen, dürfte ein weiterer Treiber für die Entwicklung sein. „Das wird uns die kommenden Jahre begleiten“, ist er sich sicher. Ebenfalls nicht hilfreich für die Lage der Apotheken seien die Zinsen der Rechenzentren, erklärt er. Denn die Apotheken müssen mit zusätzlichen Kosten rechnen, wenn sie sich ihre Umsätze früher ausbezahlen lassen wollen. „Viele sagen, dann zahlen wir den Großhandel später.“ So eine Skonto-Rückrechnung sei ärgerlich für die Apotheke und bedeute für den Lieferanten Arbeit.

Anzeichen für Apotheken-Pleite

Bereits hier greifen die Frühwarnsysteme der Großhändler: Denn darin zeige sich bereits ein Zeichen für eine nicht ausgeglichene Liquiditätslage der Apotheke. „Entweder die wirtschaftliche Lage hat sich verschlechtert und es gibt zu wenig Kapital oder es wird nicht sauber gearbeitet.“ Vielleicht wachse der Betrieb zu schnell und die nötigen finanziellen Mittel seien nicht vorhanden. „Meistens sind die Entnahmen der Apotheke in einem Missverhältnis“, weiß er aus langjähriger Erfahrung.

In solchen Fällen werde die Liquidität des Kunden geprüft und Auskunft eingeholt. Da der Apotheker als Kaufmann mit seinem Privatvermögen hafte, müssten jedoch auch mögliche Zwangsvollstreckungen differenziert betrachtet werden. „Vielleicht hat er privat seine Gartenmöbel nicht bezahlt und eine Pfändung steht an.“

Die Zahlungsunfähigkeit beschäftigt die Großhändler aus mehreren Perspektiven. Denn auf der einen Seite wollen sie Kundschaft nicht verprellen – zu hart ist der Wettbewerb im Markt geworden. Eine Inhaberin oder ein Inhaber hört nicht gerne vom Außendienst, dass die Finanzkraft der Apotheke in Frage gestellt wird, wie der Branchenkenner weiß.

Zahlungsziel bei Risiko-Apotheken verkürzt

Bei Apotheken, die ein zweites Mal zu spät zahlen, wird der Außendienst mitunter gleich aktiv. Gerade die führenden Großhändler seien dafür bekannt, „harsch“ durchzugreifen. Zunächst werde das Zahlungsziel verkürzt und geprüft, ob die Apotheke noch mithalten kann. Wenn das nicht so ist, werde die Lieferung eingestellt. Mitunter wird sogar Ware abgeholt. „Natürlich gehen da die Lampen an. Wenn eine Apotheke den Bankeinzug zwei bis drei Mal platzen lässt, ist das ein Warnzeichen.“

Auch Inhaberinnen oder Inhaber, die weniger Umsatz erwirtschaften oder länger nicht in den Betrieb investiert haben, seien im Visier der Großhändler. Der Außendienst kenne die Kundschaft gut und spreche drohende Zahlungsausfälle an. Immerhin geht es um viel Geld: „Wer als letztes abspringt, zahlt“, sagt er. Denn dann steigerten sich die geschuldeten Zahlungen schnell in den sechsstelligen Bereich. „Das Problem ist, wenn es einmal geplatzt ist und eine Insolvenz die Folge ist, gibt es bereits Umsätze im nächsten Monat.“ Der ehemaligen Sanacorp-Chef Dr. Herbert Lang sagte im Juni, die Zahlungsausfälle hätten sich aktuell vervierfacht.

Die Großhändler seien bei den Apotheken „mit einer großen Verantwortung dabei“. Sie sollten also nicht vergessen, dass die Großhändler die Betriebe vorfinanzierten. Doch auch der Großhandel stehe unter Kostendruck, betont er. „Apotheken wurden jahrelang unterstützt. Das ist jetzt ein stückweit vorbei. Unsere Marge reicht dafür einfach nicht mehr aus.“