Großhändler kapern Direktgeschäft Alexander Müller, 03.12.2009 15:18 Uhr
Mit der AMG-Novelle haben die Großhändler einen Belieferungsanspruch gegenüber den Pharmaherstellern bekommen. Allmählich zeigt die neue Regelung Wirkung: Der Anteil des Direktgeschäfts ist nach Angaben des Großhändlers Anzag von 18,3 Prozent im September auf 16 Prozent im Oktober gefallen. 900 Produkte seien mittlerweile erstmals wieder über den Großhandel verfügbar, teilte Anzag-Chef Dr. Thomas Trümper mit.
Die Umstellung der Lieferkette funktioniert den Herstellern zufolge nicht von heute auf morgen; für die Freigabe der Produkte genügt dagegen ein Fax oder eine Mail. Jeweils am 1. und 15. eines Monats aktualisiert die Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IFA), eine gemeinsame Clearingstelle für Industrie, Großhandel und Apotheke, die Datensätze. Neben dem Preis können die Hersteller den Vertriebsweg wählen: Klinikapotheke, Apotheke, Großhandel oder Sonstige.
Trotzdem tun sich einige Hersteller noch immer schwer und setzen die Neuregelung nur schleppend um. So stellt beispielsweise der schweizerische Konzern Novartis seine Präparate Lucentis (Ranibizumab) und Extavia (Interferon beta-1b) dem Großhandel seit dieser Woche zur Verfügung.
Auch der Leverkusener Konzern Bayer gibt zwei Präparate in den Großhandel: Zum 1. Januar soll Nexavar (Sorafenib) gelistet sein, auch für Betaferon (Interferon beta-1b) plane man eine entsprechende Öffnung, sagte ein Sprecher des Konzerns gegenüber APOTHEKE ADHOC. Aufgrund notwendiger logistischer Vorkehrungen werde dazu ein Termin im Verlauf des 1. Quartals 2010 bekannt gegeben.
Einige Arzneimittel werden aber auch in Zukunft nicht über Phoenix, Sanacorp, Anzag & Co. laufen: Sehr teure Präparate und solche, die nur äußerst selten von Apotheken nachgefragt werden oder besonderer Transportbedingungen bedürfen, würden die Großhändler nur unnötig belasten, heißt es. Im gegenseitigen Einvernehmen werden diese Produkte daher nicht gelistet.
Nicht immer geht es so harmonisch zu. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) sieht die Unternehmen trotz Belieferungsanspruch nicht generell in der Pflicht. BAH-Geschäftsführer Dr. Hermann Kortland nannte den Belieferungsanspruch in der AMG-Novelle eine „extrem unschöne Formulierung“. „Es gibt keine klare Auslegung, auch nicht seitens des Ministeriums“, sagte Kortland am Mittwoch beim Kongress Pharmatrends 2010 in Berlin. Gesetzestext und die dazugehörige Begründung seien widersprüchlich.
Aus Sicht des BAH besteht ein Anspruch nur dann, wenn der Hersteller über eine marktbeherrschende Stellung im relevanten Markt verfüge. Aus kartellrechtlicher Sicht liege der kritische Wert zwischen 30 und 40 Prozent, so Kortland. Umstritten sei, ob der relevante Markt die Indikation oder das konkrete Präparat meint.