Das britische Pfund ist seit dem Brexit-Votum auf Talfahrt. Auch wenn der offizielle Antrag auf Austritt aus der EU noch nicht eingegangen ist, warnt die Industrie schon jetzt vor dramatischen Folgen. Für die Reimporteure in Deutschland könnte das Votum der Briten aber Vorteile bedeuten.
Mit einem Austritt aus der EU würde ein bedeutender Importmarkt wegbrechen. Bisher ist Großbritannien einer der größten Konkurrenten für Deutschland, was den Handel mit Reimporten angeht. Angesichts des starken Pfunds wurde von britischen Händlern viel in Ländern wie Polen, Tschechien, Griechenland, Frankreich und Spanien eingekauft.
Die Unruhe um den drohenden Ausstieg ist dem Vernehmen nach bereits bei den Lieferanten zu spüren. Die Arzneimittelhändler in den Exportländern sehen sich bereits nach alternativen Abnehmern um. Die deutschen Reimporteure könnten von größerer Auswahl und besseren Konditionen profitieren.
Bei einem „Radikal-Brexit“ werden alle bisherigen Handelsabkommen mit Großbritannien abgelöst und das Land wie ein Drittstaat behandelt. Dann wären auch Exporte von der Insel nicht mehr möglich. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die britische Regierung auch nach einem Austritt weiter Handelsabkommen mit der EU schließen wird.
Angesichts des schwächeren Pfunds wird Großbritannien bereits jetzt wieder zum Beschaffungsmarkt für Reimporteure. Bislang waren Einkäufe in England, Schottland, Wales und Nordirland unattraktiv. Das könnte sich künftig ändern. „Kurz- und mittelfristig dürfte der Verfall des Pfunds zu einer Stärkung der Marktbedeutung der preisgünstigen Importarzneimittel durch erhöhte Importe aus Großbritannien führen“, sagt Eurim-Chef Andreas Mohringer.
Die Reimporteure halten sich jedoch mit Prognosen zurück: Für eine langfristige Bewertung von denkbaren Auswirkungen sei es noch zu früh, so Mohringer. Der Apotheker schließt angesichts der chaotischen politischen Lage in Großbritannien auch nicht aus, dass es doch nicht zu einem Austritt kommt. Die Folgen hingen von den konkreten Verhandlungsergebnissen der kommenden zwei Jahre ab.
Emra verweist darauf, dass sich bis zum Abschluss der Austritsverhandlungen die Rahmenbedingungen nicht veränderten. Auch Marktführer Kohlpharma hält sich mit konkreten Aussagen über Auswirkungen eines Ausstiegs der Briten zurück. „Wir wissen heute noch nicht, mit welchem künftigen Status Großbritannien die EU verlassen wird“, sagt ein Sprecher. Erst wenn klar sei, ob und wie das Land im Binnenmarkt bleibe, könnten die Folgen bewertet werden.
Orifarm sieht die Veränderungen gelassen. „Der europäische Arzneimittelimportmarkt ist permanent im Wandel. Hierin liegen auch immer wieder Chancen für das deutsche Gesundheitswesen, das von weiteren Einsparpotentialen profitieren kann“, sagt eine Sprecherin. Das Leverkusener Unternehmen fokussiere sich darauf, langjährige Partnerschaften zu sichern, statt übereilte Entscheidungen zu treffen.
CC Pharma erwartet zusätzlich zu Veränderungen beim Wechselkurs Handlungsbeschränkungen im Import sowie Export. Zum jetzigen Zeitpunkt seien keine weiteren Prognosen zum aktuellen Geschehen möglich, so eine Sprecherin.
Ende Juni haben die Briten mit einer knappen Mehrheit von 52 Prozent in einem Referendum für den EU-Ausstieg gestimmt. Grund für die Kursverluste des Pfunds sind Befürchtungen, wonach die heimische Wirtschaft besonders unter dem beabsichtigen EU-Austritt leiden dürfte. Vor allem die Arzneimittelexporteure, die sich auf Großbritannien als lukrativen Abnehmer fokussiert haben, trifft der Währungsverfall hart.
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