Angeschlagene Versender

Greift Redcare nach DocMorris? Patrick Hollstein, 08.10.2024 10:24 Uhr

An der Börse wird spekuliert, dass Redcare-CEO Olaf Heinrich längst ein Auge auf DocMorris geworfen hat. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Über Jahre hinweg verlief die Entwicklung von Shop Apotheke/Redcare und DocMorris/Zur Rose ähnlich. Nahezu zeitgleich gingen beide Versender an die Börse, auch die internationale Expansion und das E-Rezept wurden parallel in den Blick genommen. Doch mittlerweile hat Redcare seinen Konkurrenten weit hinter sich gelassen – und könnte ihn sich über kurz oder lang sogar einverleiben.

Aktuell wird DocMorris an der Börse mit rund 400 Millionen Euro bewertet; Redcare kommt auf knapp 2,8 Milliarden Euro – und damit fast auf das Siebenfache. Dabei bringt DocMorris für das erste Halbjahr einen Umsatz von 530 Millionen Franken (umgerechnet rund 560 Millionen Euro) auf die Waage – und damit ziemlich genau die Hälfte von Redcare (1,1 Milliarden Euro).

Beim Ausblick für das Gesamtjahr ist Redcare zwar etwas optimistischer: Zwischen 2,3 und 2,5 Milliarden Euro sollen es an Umsatz werden, DocMorris rechnet mit etwas mehr als 1,1 Milliarden Franken (knapp 1,2 Milliarden Euro). Aber auch hier passen die Relationen.

Unter dem Strich sieht es dagegen ganz anders aus: DocMorris erzielte im ersten Halbjahr einen Verlust von 38 Millionen Franken (rund 40 Millionen Euro), Redcare kam auf 13 Millionen Euro und damit nur ein Drittel des Konkurrenten. Ähnlich sieht es bei den Verbindlichkeiten aus: DocMorris wies zum 30. Juni Gesamtschulden von 515 Millionen Franken (knapp 550 Millionen Euro) aus, Redcare „nur“ in Höhe von 242 Millionen Euro.

Horrende Kaufpreise

Während das Management von DocMorris/Zur Rose über Jahre hinweg zugekauft und dabei horrende Preise gezahlt hatte, hat man sich bei Redcare auf den Ausbau des eigenen Geschäfts konzentriert. Die Übernahme des schweizerischen Rx-Versenders Mediservice im vergangenen Jahr als erster größerer Zukauf wurde durch die Ausgaben von neuen Aktien an den Mutterkonzern Galenica finanziert. Ein Jahresumsatz von rund 500 Millionen Euro konnte auf diese Weise neu in die Bücher genommen werden.

Parallel musste DocMorris ebenfalls in der Schweiz sein Tafelsilber verkaufen: Für 360 Millionen Franken ging der traditionelle Praxisgroßhandel an die Supermarktkette Migros; das Geld brauchte DocMorris zur dringenden Sanierung seiner Finanzen. Knapp 700 Millionen Franken wurden damit preisgegeben – und der bis dahin einzige Ertragbringer der Gruppe.

An der Börse wird mittlerweile spekuliert, dass Redcare sich den Konkurrenten über kurz oder lang einverleiben könnte. Immerhin sei CEO Olaf Heinrich ja früher selbst Deutschlandchef von DocMorris gewesen. Das Kartellamt würde vermutlich keine Probleme machen – in der Vergangenheit wurde stets darauf verwiesen, dass es ja noch ausreichend Konkurrenz durch Vor-Ort-Apotheken gebe.

Hohe Schuldenlast

Allerdings könnten bei einem solchen Deal nicht nur die Kunden, sondern müssten auch die Schulden in Gestalt der beiden großen Anleihen übernommen werden. Dass sich das Management von Redcare – und vor allem die einflussreichen Großaktionäre um Michael Köhler – eine solche Last ohne Not ans Bein binden, ist nach den Erfahrungen der Vergangenheit eher zu bezweifeln. Einen Vorsprung im aktuell entscheidenden Rx-Bereich hat DocMorris genauso wenig wie im Bereich der Plattform mit Vor-Ort-Apotheken. Und im OTC-Segment ist Redcare durchaus in der Lage, selbst hinreichend Neukunden zu gewinnen.

Viel wahrscheinlicher ist also, dass man in Venlo abwartet, ob DocMorris vom E-Rezept profitieren kann. Wenn nicht, hätten ohnehin alle beide Versender ein massives Problem.