„Exklusiv in Ihrer Apotheke“: Auf diese Werbebotschaft müssen Hersteller künftig verzichten, wenn sie nicht ausschließen können, dass ihre Ware in andere Kanäle gelangt. Das Landgericht Hamburg (LG) untersagte dem Vichy-Hersteller L‘Oréal eine entsprechende Behauptung. In dem Fall hatte der Eucerin-Hersteller Beiersdorf geklagt – und Angebote aus dem Graumarkt vorgelegt.
Laut Urteil sind Produkte nicht apothekenexklusiv, wenn sie auch außerhalb von Apotheken erhältlich sind. Bei den von Beiersdorf dargelegten Graumarktangeboten handele es sich jedenfalls nicht um unerhebliche Einzelfälle. Auch den Einwand, dass Eucerin ebenfalls als „Apothekenkosmetik“ beworben werde, ließen die Richter nicht gelten.
Die Behauptung sei auch dann objektiv unzutreffend und daher irreführend, wenn der Hersteller selbst das Produkt ausschließlich an Apotheken vertreibe: Weder sei in der Aussage eine entsprechende Einschränkung enthalten, noch könne der maßgebliche Durchschnittsverbraucher „mitlesen“, dass es nicht kontrollierbare Graumarktangebote gebe.
„Durchschnittsverbraucher werden die pauschalen – und in dieser Pauschalität objektiv unrichtigen – Werbeaussagen der Beklagten nicht einschränkend dahingehend lesen, dass sie nur zum Ausdruck brächten, die Beklagte selbst schließe Depotverträge nur mit Apotheken“, heißt es im Urteil. „Weder nach dem Wortlaut und dem Kontext der Werbeaussagen selbst noch aus anderen von der Beklagten dargelegten, außerhalb der Werbung liegenden tatsächlichen Gründen hätten sie zu einer solchen Lesart der Werbeaussagen eine Veranlassung.“
Laut Urteil ist die Irreführung auch wettbewerbsrechtlich relevant: Mit beiden Produkten im Einzelhandel konfrontiert, werde sich der Durchschnittsverbraucher eher für ein als besonders exklusiv beworbenes Produkt entscheiden, wodurch sich der Absatz des anderen Herstellers verringern könne. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die Apothekenexklusivität.
Verbraucher brächten Apotheken ein besonderes Vertrauen entgegen. Durch Graumarktangebote werde den Kunden suggeriert, besonders vertrauenswürdige, da vermeintlich normalerweise nur in Apotheken erhältliche Produkte nur ausnahmsweise außerhalb einer Apotheke erhalten zu können. Daher liegt es den Richtern zufolge nahe, „dass diese aus diesem Grunde erst recht die vermeintlich besondere Gelegenheit der Erhaltbarkeit der Produkte der Beklagten außerhalb einer Apotheke zulasten unter anderem der Konkurrenzprodukte der Klägerin nutzen.“
Aus diesem Grund wurde L‘Oréal zu Schadenersatz verurteilt; der französische Konzern muss Beiersdorf nun seine kompletten Werbepläne offenlegen. Außerdem darf Vichy nicht mehr als apothekenexklusiv beworben werden. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, L‘Oréal kann aber Rechtsmittel einlegen.
Beiersdorf verzichtet bereits seit 2007 auf das Zeichen „Gesundheit nur in der Apotheke“ der Marketing-Gesellschaft Deutscher Apotheker (MGDA). Auch in TV-Spots und in der Printwerbung für Eucerin gibt es keinen Hinweis zur Apothekenexklusivität. Trotz des Selektivvertrages sei es nicht ausgeschlossen, dass die Produkte auch im Mass Market auftauchten und vertrieben würden, sagt eine Sprecherin. Deshalb sei die Auslobung eines ausschließlich exklusiven Vertriebs beziehungsweise einer ausschließlich exklusiven Erhältlichkeit in der Apotheke rechtlich nicht zulässig.
Der Kosmetikkonzern setzt lieber beim Vertrieb von Eucerin auf Selektivverträge: Seit 2009 werden nur noch Apotheken beliefert, die einen entsprechenden Vertrag unterschrieben haben. Diese Regelung gilt auch für Großhändler. Trotzdem gehörte Eucerin lange zum Sortiment von dm. Im Frühjahr hatte die Drogeriekette die Apothekenmarken ausgelistet.
Auch L'Oréal verkauft Vichy-Produkte seit knapp fünf Jahren nur noch an Apotheken und Großhändler, die einen Depotvertrag unterschrieben haben. Außerdem werden besonders große Bestellungen scharf kontrolliert. Bei bekannten Unternehmen wird zunächst der direkte Kontakt gesucht. L'Oréal geht mitunter auch gerichtlich gegen Angreifer auf das Apothekensortiment vor. Vor dreieinhalb Jahren wurde einem saarländischen Unternehmen vom Landgericht Saarbrücken per einstweiliger Verfügung verboten, Apotheker zur Abgabe von Vichy-Produkten an ihn zu veranlassen.
Apotheken, die Vichy anbieten, verpflichten sich vertraglich unter anderem, die Kosmetik nicht an andere Groß- oder Einzelhändler zu verkaufen. Bei Verstößen droht der Lieferstopp und eine Sperre für zwei Jahre. Auch Beiersdorf greift hart durch und hat Apotheken, die beim Zwischenhandel aufgeflogen sind, bereits gekündigt.
Eucerin ist die führende Kosmetikmarke in der Apotheke, erst 2014 hatte die Produktlinie Vichy von Platz 1 verdrängt. Das Sortiment umfasst rund 120 verschiedenen Artikel; zuletzt wurde vor allem in den Ausbau der Sonnenschutzserie investiert. Während Eucerin im vergangenen Jahr den Marktanteil nach Umsatz leicht auf 11 Prozent ausbauen konnte, musste Vichy weiter abgeben: Der Umsatz sank um 3 Prozent, der Marktanteil ging auf 10 Prozent zurück. Der Versandhandelsanteil liegt bei Eucerin bei 12 und bei Vichy bei 9 Prozent.
Insgesamt stieg der Umsatz 2015 um 3 Prozent auf rund 1,3 Milliarden Euro auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP). Versandapotheken setzten laut IMS Health rund 196 Millionen Euro mit Apothekenkosmetik um. Das ist ein Plus von 8 Prozent. Die Zahl der im Internet bestellten Packungen hat sich auf rund 17,4 Millionen (plus 8 Prozent) erhöht. Damit liegt der Versandanteil nach Absatz mit 14 Prozent auf einem Höchstniveau.
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