Liraglutid per Fragebogen

GoLight: „Weniger Kilos, mehr Erektion“

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Berlin -

Die Plattform GoSpring hat ein neues Angebot im Portfolio: Im Rahmen von „GoLight“ kann man sich rezeptpflichtige Abnehmspritzen mit dem Wirkstoff Liraglutid schicken lassen – versprochen wird ein Gewichtsverlust, der auch die Anwendung von Potenzmitteln überflüssig machen soll: „Hol Dir die ultimative Erleichterung für Deine Gesundheit & Potenz“, lautet nur eine von zahlreichen zweifelhaften Werbeaussagen und Wirkversprechen. Derweil hat der Medienkonzern ProSiebenSat.1 seinen Anteil an der Betreibergesellschaft aufgestockt.

Mit GoLight setzt die Plattform auf den Trend der Abnehmspritzen: „Weniger Kilos, mehr Erektion“ lautet der Slogan. „Die fetten Jahre sind vorbei. Schluss mit Scham, Frust & Stigma!“ So wirbt der Anbieter für eine Liraglutid-Therapie (Saxenda, Novo Nordisk), sogar das Logo der Adipositas-Hilfe Deutschland prangt unter dem Werbespruch. Das Arzneimittel muss einmal täglich injiziert werden, im Gegensatz zu Semaglutid (Ozempic) ist es seit April 2016 auch zur Gewichtsabnahme bei Übergewicht und Adipositas zugelassen.

Nach dem Klick auf „Jetzt behandeln lassen“ geht es auch schon los mit dem Fragebogen: Zuerst müssen Angaben zu Gewicht und Größe gemacht werden, um den BMI zu ermitteln. Mit einem Körpergewicht von 120 kg und 185 cm Körpergröße landet man zum Beispiel bei einem BMI von 27 und ist dann laut Anbietereinschätzung für das GoLight-Programm geeignet – juhu.

Ein Foto von der Taille bis zum Kopf soll auch hochgeladen werden, außerdem ein Foto eines Ausweisdokuments – man darf den Anbieter mit einem Klick aber auch auf „später“ vertrösten. Darauf folgen weitere Fragen:

  • Wie lange sind Sie schon übergewichtig?
  • Haben Sie schon einmal Liraglutid/Semaglutid verwendet?
  • Haben Sie andere Maßnahmen zur Gewichtsreduktion ergriffen?

Antwortet man auf die letzte Frage stumpf mit „nein“, folgt ein moralischer Zeigefinger getarnt als Pop-Up: Die medikamentöse Therapie sei niemals der erste Schritt bei der Gewichtsreduktion. Trotzdem kann der Fragebogen danach unbeirrt weiter ausgefüllt werden.

Rezensionen und Wirkversprechen

Die Frage zum Hungergefühl ist eine Multiple-Choice-Prüfung; um die richtigen Antworten zu geben, ist auch GoLight-Nutzer Uwe mit am Start: „Ich esse nur, wenn ich Hunger habe und bin plötzlich auch bei normalen Portionen satt“, prangt seine Rezension direkt unter den Antwortmöglichkeiten, dann muss für den Therapieanspruch wohl das Gegenteil der Fall gewesen sein. Darauf folgen unter anderem Fragen nach der sportlichen Akvitität und dem Blutdruck, auch Vorerkrankungen und Kontraindikationen werden abgefragt.

Natürlich gibt es auch Vorher/Nachher-Fotos und zahlreiche Wirkversprechen. „Bereits 5 bis 10 Prozent weniger Gewicht bringen: Mehr Lebensqualität (Libido, Schlaf), weniger Risiken wie Gelenkprobleme, Diabetes, Schlaganfall“, heißt es etwa.

Medikament bestellen, Essen sparen

Für drei Spritzen und Gratisversand nach Hause, Gratiszugang zu Ernährungsberatung im Wert von 350 Euro und regelmäßigen ärztlichen Checks bezahlen Patienten etwa 179 Euro, je nach Tagesdosis ist das maximal ein Monatsbedarf: Denn initial werden 0,6 mg pro Tag gespritzt, die Dosis kann aber auf 1,2 mg beziehungsweise 1,8 mg erhöht werden.

Hinzu kommen noch 19 Euro als „Behandlungsentgelt“, die sich laut GoSpring aber schnell armotisieren: „Die meisten Anwender:innen sparen gleichzeitig Ausgaben für Essen“, so GoLight, „statt für ein Sandwich investierst Du also circa sechs Euro pro Tag in Deine Gesundheit für sichtbare Erfolge und mehr Lebensqualität“, heißt es.

Mit dem Code „Endstigma“ lassen sich sogar noch 9 Euro sparen. Zum Thema Versand und Diskretion heißt es bei GoSpring, dass keine persönliche Annahme erforderlich sei, auch eine Lieferung an die Packstation sei möglich. Als Absender wird auf den Paketen nicht GoSpring, sondern die ebenfalls zur Gruppe gehörende Versandapotheke Apotheek Bad Nieuweschans angegeben.

Prominente Investoren

GoSpring gehört zu Wellster Healthtech, das 2018 gegründete Startup hat in mehreren Finanzierungsrunden mittlerweile wohl einen dreistelligen Millionenbetrag eingesammelt. Alleine Dermapharm investierte vor knapp zwei Jahren 25,5 Millionen Euro und übernahm damit knapp 30 Prozent der Anteile. Als größter Anteilseigner hat der Generikahersteller sich sogar Mehrheitsstimmrechte gesichert.

Aufgestockt hat zuletzt ProSiebenSat.1 über seine Beteiligungssparte SevenVentures. Der Medienkonzern kommt dank seiner Mediendienstleistungsverträge mittlerweile auf etwas mehr als 10 Prozent und ist damit hinter Holtzbrinck der drittgrößte Investor. Außerdem sind neben den beiden Gründern Dr. Manuel Nothelfer und Nico Hribernik zahlreiche weitere institutionelle und private Anleger beteiligt, darunter die Familien Bendixen/Dethleffsen (Queisser/Doppelherz), Reinold Geiger (L‘Occitane), Jochen Engert, Daniel Krauss und André Schwämmlein (Flixbus), Jean-Remy von Matt (Jung von Matt), Dr. Peter Baumgart (PlusDental), Constantin Bisanz (Brands4friends). Kleinere Anteile halten auch Privatpersonen aus dem Netzwerk, etwa der M&A-Berater Dr. Manfred Ferber oder der Urologe Professor Dr. Christian Wülfing (Asklepios Klinik Altona), der nicht nur den medizinischen Beirat leitet, sondern auch auf der Website als ärztliches Testimonial auftritt und beispielsweise Hinweise zu Medikamenten gibt.

Zweifelhafte Werbeaussagen

Wellster setzt auf verschiedene Portale, über die unter anderem rezeptpflichtige Medikamente angeboten werden: GoSpring ist auf die Behandlung von erektiler Dysfunktion und anderen schambehafteten Erkrankungen spezialisiert. MySpring richtet sich an Menschen mit Haarausfall, EasyTest ist als Plattform für medizinische Selbsttests gedacht und HelloEasy deckt vor allem Schlafprobleme ab, soll aber künftig vor allem über psychologische Indikationen aufklären.

Das Konzept ist dabei stets dasselbe: Menschen mit gesundheitlichen Problemen werden ganzheitliche Lösungen versprochen, bei denen Arzneimittel & Co. nur ein Baustein sind. So wird auf den Plattformen der Eindruck vermittelt, dass die Therapie aufwändig durch Experten entwickelt wurde und etwa im Rahmen einer Videosprechstunde noch einmal individuell zugeschnitten werden muss.

Obwohl die Angebote und auch die Werbeaussagen teilweise zweifelhaft erscheinen, wurden Wellster bislang kaum Steine in den Weg gelegt. Nur der Vertrieb der „Pille danach“ über MySummer wurde durch die Apothekerkammer Nordrhein juristisch gestoppt.

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