Telemedizin-Anbieter will in Vor-Ort-Apotheken

Go Spring: Potenzmittel online – aber ohne Schmuddelfaktor

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Berlin -

Mit Telemedizin kann man sich vom heimischen Sofa aus ärztlich behandeln lassen. Neben der Entlastung von Wartezimmern wird vor allem die höhere Convenience für den Patienten von den Anbietern als Vorteil angepriesen. Doch es gibt für viele Menschen auch einen anderen wichtigen Grund, nicht persönlich zum Arzt zu wollen: Scham. Dass Unternehmen Direct Health hat daraus ein Geschäftsmodell gemacht und bietet unter der Marke „Go Spring“ ein Telemedizinportal für schambehaftete Krankheiten wie erektile Dysfunktion an. Ein Schmuddelportal will „Go Spring“ aber keineswegs sein, im Gegenteil: Die Arbeit wird an der LMU München wissenschaftlich begleitet und eine aktuelle Studie soll den positiven Beitrag zur Gesundheitsversorgung belegen – und helfen, den Weg in die Vor-Ort-Apotheken zu ebnen.

Der zweite Frühling ist sprichwörtlich und romantisch. Das Wiederaufblühen der Gefühle in der zweiten Lebenshälfte bringt vielen Männern jedoch auch Kopfzerbrechen, schließlich funktioniert oft nicht mehr alles so wie früher. Doch der Weg zum Arzt fällt vielen enorm schwer, das Thema erektile Dysfunktion ist so schambehaftet wie kaum eine andere medizinische Indikation. Der Gedanke ist also naheliegend: Wo, wenn nicht hier, wären Patienten bereit, für die Behandlung etwas draufzulegen, wenn sie dabei in der gefühlten Anonymität der eigenen vier Wände bleiben können?

„Den Anstoß für Go Spring hat ein befreundeter Apotheker gegeben“, sagt Geschäftsführer Nico Hribernik. „Ich habe ihn gefragt, was die Themen in seiner Apotheke sind, bei denen die Kunden leiser sprechen. Er sagte, es handele sich immer um Männer mit Problemen wie Erektionsstörungen, Hämorrhoiden, Fußpilz oder Herpes.“ Damit war Hriberniks Geschäftsidee geboren: eine „Männermarke für schambehaftete Indikationen des Alltags“, wie er es nennt. Seit Mai 2019 ist das Angebot am Netz und hat nach eigenen Angaben bereits über 40.000 telemedizinische Behandlungen vermittelt.

Bei Go Spring können Patienten für spezifische Indikationen wie erektile Dysfunktion, frühzeitigen Samenerguss, Testosteronmangel, aber auch Haarausfall und schwere Akne telemedizinische Behandlungen buchen, bei denen digitale Privatrezepte ausgestellt werden. 19 Euro kostet die Ausstellung einer solchen Verordnung. „Die werden mit einer qualifizierten digitalen Signatur versehen und dem Patienten geschickt. Es sind also digitale Rezepte, aber keine E-Rezepte“, erklärt Hribernik. Die 19 Euro seien dabei keine Rezept-, sondern eine Vermittlungsgebühr, von der wiederum eine Provision an Go Spring zurückgeht. „Der Kunde kauft im Endeffekt einen Behandlungsvoucher und wir verdienen an der Provision.“ Bisher greift Go Spring dabei vor allem auf Kooperationsärzte anderer Telemedizinanbieter zurück, will sich aber künftig noch stärker bei den niedergelassenen Ärzten aufstellen. Dort ist der Widerstand weitaus geringer, als man das auf den ersten Blick vermuten könnte.

„Aus der Ärzteschaft kam bisher nie Kritik an uns“, versichert Hribernik. Das liege auch ganz wesentlich daran, dass das Unternehmen großen Aufwand betreibe, sich mit einem medizinischen Beirat seriös aufzustellen. „Der medizinische Beirat ist ein fester Teil unserer Unternehmensstruktur und teilweise weisungsbefugt. Wir haben uns aufgelegt, da nach höheren Standards zu arbeiten als andere.“ Dazu gehört auch die wissenschaftliche Begleitung des Projekts durch Wissenschaftler der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU), die Ende Mai im Fachjournal „Sexual Medicine“ eine Studie zum Versorgungsmehrwert des Angebots publiziert haben. Es handele sich dabei um die weltweit erste wissenschaftliche Studie zu erektiler Dysfunktion auf Basis telemedizinischer Daten, betont Hribernik.

Und die Studienergebnisse stützen seine Argumente. Der Analyse anonymisierter telemedizinischer Daten von 11.000 Patienten sowie freiwilliger Nachbefragungen hat demnach ergeben, dass 63,5 Prozent der Befragten trotz ihrer erektilen Dysfunktion noch nie in medizinischer Behandlung waren. „Durch Go Spring haben sie erstmals sicheren Zugang zu ärztlicher und medizinischer Behandlung in Anspruch genommen“, so Hribernik. 36,1 Prozent der Befragten hatten angegeben, dass Scham und Diskretion sie zuvor davon abgehalten haben, zu einem Arzt zu gehen. „Dieser Zusammenhang wurde zuvor noch nie wissenschaftlich belegt“, sagt er. Darüber hinaus hatten 36,5 Prozent der Befragten im Vorfeld bereits Erfahrung mit Potenzmitteln – 41,4 Prozent von ihnen haben diese allerdings nach eigenen Angaben über illegale Zugangswege wie den Schwarzmarkt besorgt. Das Angebot könne somit dazu beitragen, illegalen Arzneimittelhandel einzudämmen und Patienten von potentiell gefährlichen Schwarzmarktmedikamenten fernzuhalten.

Neben der Evaluation des eigenen Nutzens ist die seriös-wissenschaftliche Begleitung für Go Spring aber natürlich auch ein Türöffner. „Wir wollen durch die Studie auch unseren Mehrwert für die Versorgungsforschung nach außen kehren“, sagt Hribernik. Denn Go Spring sucht die Anbindung nicht nur an die Telemedizin, sondern vor allem an die Vor-Ort-Versorgung, sowohl bei den Ärzten als auch bei den Apothekern. Bisher sind drei kleinere Versandapotheken an Go Spring angebunden. Die Patienten können ihre digitalen Selbstzahlerrezepte dorthin schicken und erhalten dann ein gebrandetes Paket mit ihren Arzneimitteln. Die großen Hollandversender sind hingegen nicht an Bord. „Wir kooperieren weder mit DocMorris noch mit Shop-Apotheke“, sagt Hribernik. „Da gab es Annäherungsversuchen, aber nicht von unserer Seite!“

Dass sich Go Spring den beiden großen Versendern verwehrt, habe zwei Gründe: Einerseits wolle man sich von den beiden nicht abhängig machen, sie seien „sehr unflexibel beim Thema Exklusitivität“, so der ehemalige Product Manager von Procter & Gamble. „Außerdem wollen wir in die deutschen Vor-Ort-Apotheken und eine Zusammenarbeit mit DocMorris oder Shop-Apotheke würde das sehr erschweren.“ Noch ist Go Spring nicht vor Ort vertreten, aber ein anderer großer Player soll helfen, das zu ändern: Noventi. Derzeit versuche Go Spring, eine Kooperation zustande zu bringen, Hribernik zeigt sich optimistisch, das noch 2020 abschließen zu können und dann nicht nur in 5000 Vor-Ort-Apotheken verfügbar zu sein, sondern auch an die Verordnungsinfrastruktur angebunden zu werden. „Ab dem Moment, wo wir bei Noventi angebunden sind, können wir auch deren E-Rezept mit nutzen“, sagt Hribernik. „Das wäre von der Umsetzung her 1:1 das, was Noventi auch mit Zava macht.“

Dass mit Zava, Kry oder Teleclinic bereits große Player im Telemedizin-Markt unterwegs sind, mache ihm keine großen Sorgen, sagt Hribernik. Vielmehr sehe er eine schlechte Perspektive für die großen Anbieter. „Auch Portale wie Jameda oder Doctolib bieten mittlerweile Telemedizin-Dienste für die niedergelassenen Ärzte. Die wiederum holen gerade digital auf und können dieselben Angebote bieten“, sagt er. „Viele Telemedizin-Anbieter werden ihre Geschäftsmodelle ändern müssen, hin zu verstärkten B2B-Konzepten.“

Auch vor diesem Hintergrund versuche Go Spring einen Fuß in die Praxen zu kriegen. Denn die Zukunft liege in spezifischeren Angeboten. „Ich glaube, dass Telemedizin sich dezentralisieren wird“, sagt Hribernik. „Und wenn man eine positive, nicht stigmatisierende Marke aufbaut, kann man in seiner Sparte sehr gut bestehen.“

 

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