Ginkgo: Klage wegen Tebonin Nadine Tröbitscher, 03.12.2019 09:47 Uhr
Dr. Willmar Schwabe ist mit Tebonin seit Jahrzehnten der Marktführer bei den Ginkgo-Präparaten. Das Original steht nun unter Beschuss und hat vom Konkurrenten KSK-Pharma (Ginkgo ADGC, Kaveri) eine Klage kassiert. Konkret geht es um die Werbung und angeblich irreführende Angaben auf dem Umkarton. Der Mitbewerber spricht dem Originator die Einzigartigkeit ab und bezieht sich auf das Europäische Arzneibuch (Ph.Eur.) und die Monographie der Kommission E.
Bei Schwabe zeigte man sich „überrascht“, als die Abmahnung zugestellt wurde. Kritisiert werden werbliche Angaben und die Faltschachtel, wie sie seit 2015 verwendet wird. KSK beanstandet folgende Aussagen zu Tebonin, die auf zwei Webseiten verwendet werden:
- „einzigartiger Extrakt aus Ginkgo-Blättern“
- „Der Tebonin-Wirkstoff EGb 761 ist der weltweit am besten untersuchte und erforschte pflanzliche Wirkstoff.“
Der Durchschnittsverbraucher interpretiere die Werbeaussagen so, dass sich die Zusammensetzung des Originals maßgeblich von den Konkurrenzprodukten unterscheide, der Extrakt EGb 761 einmalig sei und die durchgeführten Studien sich nicht auf andere Ginkgo-Präparate übertragen ließen. Die Spitzenstellung bestehe jedoch für EGb 761 nicht, findet KSK: Es gebe keinen Unterschied zu anderen auf dem Markt zugelassen Ginkgo-Präparaten, heißt es weiter.
Die Begründung
„Sämtliche in Deutschland verkehrsfähigen Präparate entsprechen der Monographie ‚Ginkgo-Extrakt‘ in der Ph.Eur. und/der von der Kommission E veröffentlichten Monographie zu ‚Trockenextrakt aus Ginkgobiloba-Blättern extrahiert mit Aceton-Wasser‘, welche sich maßgeblich auf EGb 761 bezog“, moniert KSK. Folglich könnten sich die Konkurrenzprodukte in Bezug auf die Herstellung und die pharmazeutische Wirkung gar nicht vom Original unterscheiden. Auch die Studien seien übertragbar. Die genannten Werbeaussagen seien daher irreführend, findet KSK und fordert einen Unterlassungserklärung.
Dem widerspricht Schwabe. Das Herstellungsverfahren sei patentiert und könne auch daher nicht von anderen Unternehmen eingesetzt werden. Es handele sich um ein „verbessertes Verfahren zur Herstellung von Ginkgoextrakten“, dessen Ziel eine möglichst gleichbleibende Wirkstoffzusammensetzung und Chargenkonformität sei. Der nach Patentschrift hergestellte Extrakt erreiche „pharmazeutisch eine bessere Extrakt-Qualität“. Die Ginkgo-Extrakte der Mitbewerber seien nicht identisch. Schwabe bezieht sich auf die Leitlinie „Gute Substitutionspraxis“ der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Darin heißt es: „Sind pflanzliche Arzneimittel in den sogenannten Spezifikationscharakteristika identisch deklariert, kann es sich um wirkstoffgleiche Präparate handeln.“
Patentiertes Zusatzverfahren
Laut Patent handelt es sich beim patentierten Herstellungsverfahren um ein verbessertes Verfahren zur Herstellung eines Extraktes aus Blättern von Ginkgo biloba, „das die Vorgaben des Ph.Eur. auch dann erfüllt, wenn Ginkgo-Blätter mit ungünstigem Inhaltsstoffspektrum, insbesondere mit erhöhten Gehalten an Terpenlaktonen, aber auch mit erhöhtem Gehalt an Flavonoiden, zum Einsatz kommen“. Mit dem patentierten Verfahren könne man „auch aus Ginkgo-Blättern mit ungünstigem Inhaltsstoffspektrum Extrakte erhalten […], die dem Europäischen Arzneibuch entsprechen.“
Dazu teilt KSK mit: „Eine Aussage über eine höhere Qualität des hergestellten Extrakts/höhere Chargenkonformität im Vergleich zu Konkurrenzprodukten, die ebenfalls den Vorgaben des Europäischen Arzneibuchs entsprechen müssen, kann rein auf Basis der Patentschrift aber nicht getroffen werden.“
Höchste Qualitätsstandards
Angegriffen werden zudem die auf den Webseiten verwendeten Werbeaussagen zum Spezialextrakt:
- „Er entspricht den höchsten Qualitätsstandards: Der gesamte Produktionsprozess wird kontinuierlichen Kontrollen unterzogen.“
- „Vom Anbau bis zur Tablette unterliegt der Produktionsprozess ständigen strengen Qualitätskontrollen.“
Dazu kontert KSK, dass ständige/kontinuierliche Qualitätskontrollen bei allen Wirkstoffen und Arzneimitteln vorgeschrieben seien. Es handele sich daher um eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten – und dies sei irreführend. Beim Verbraucher würde zudem der Eindruck geweckt, andere Präparate würden nicht kontinuierlich in ihrer Qualität untersucht.
Die Verpackung
Auf der Vorderseite der Packung von Tebonin ist folgende Angabe zu finden: „Wirkstoff: Ginkgo-biloba-Blätter-Trockenextrakt EGb 761“. Dies erwecke den Eindruck, es handele sich um einen zusätzlichen Wirkstoff – vorausgesetzt, Verbraucher kennen den Extrakt nicht. Wer diesen aber bereits kenne, assoziiere mit der Angabe wiederum, dass es zwischen dem Spezialextrakt und Konkurrenzextrakten maßgebliche Unterschiede gebe. Dies sei ebenfalls irreführend. Viel mehr noch: Schwabe verstoße gegen das Arzneimittelgesetz (AMG).
Demnach dürfen nur Angaben auf der Verpackung gemacht werden, die auch mit der Abwendung des Präparates im Zusammenhang stehen und für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und nicht den Fachinformationen widersprechen. Für EGb 761 treffe dies nicht zu. Es handele sich um eine „rein werbliche Aussage“, die „für den Patienten keinen Mehrwert hat“, so KSK. Schließlich seien die Extrakte identisch. Das weist Schwabe zurück und verweist auf das patentierte Herstellungsverfahren und die Einzigartigkeit.
KSK hatte Schwabe bereits im Sommer abgemahnt, der Phytokonzern hat die geforderte Unterlassungserklärung jedoch nicht abgegeben. Der Fall liegt nun beim Landgericht Karlsruhe (LG). Bei KSK ist man laut Firmenchef Peter Krcmar zuerst auf Äußerungen des Schwabe-Außendienstes aufmerksam geworden, bei denen es konkret um das Anfang 2018 von Klosterfrau übernommene Konkurrenzprodukt ging. Nach seinen Angaben hat KSK innerhalb eines Jahres einen Marktanteil von mehr als 3 Prozent nach Packungen geholt. „Wir nehmen denen etwas weg.“