Im deutschen Apothekenmarkt kündigt sich eine überraschende Neugründung an: Die Berliner Apothekenkooperation Gesine will in Kürze mit einem eigenen Großhandel an den Start gehen. Gesellschafter der Genossenschaft können Apotheker werden, die das Unternehmen als Hauptlieferanten wählen. Gesine-Vorstandschefin Susanne Lorra sagte auf Nachfrage von APOTHEKE ADHOC, dass bereits 80 Mitglieder eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet hätten. Die offizielle Gründung ist für Anfang September geplant, nach einer Testphase soll das Projekt schon im kommenden Jahr unter Volllast laufen.
Mit einem avisierten Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro könnte der Gesine-Großhandel aus dem Stand zu einigen privaten Großhändlern aufschließen. Als Vollversorger will Gesine zu 100 Prozent lieferfähig sein. Rund 200 Apotheken sollen von Anfang an dabei sein; Kerngebiet sind zunächst die neuen Bundesländer und Berlin.
Gesine gründet gegen den Trend den ersten neuen Pharmagroßhandel seit Jahrzehnten - für die Einkaufs- und Marketinggemeinschaft eine Notwendigkeit: „Die Einkaufskonditionen verschlechtern sich zusehends, das trifft viele Apotheken an der Substanz“, erklärt Lorra. „Mit einem eigenen Großhandel sichern wir die Existenz der Apotheken.“ Das Ziel für Gesine ist daher klar: zumindest das heute bestehende gute Rabattniveau halten.
Damit das Projekt tatsächlich die erhofften Effizienzen bringen kann, müssen die Apotheken allerdings auf einigen „Luxus“ verzichten: Vom geplanten Logistikzentrum am Rande Berlins aus können sich die Apotheken im Stammgebiet bis zu zweimal täglich beliefern lassen; bundesweit sollen über den externen Logistikpartner zunächst zumindest Nachtlieferungen möglich sein. „Natürlich müssen sich die Apotheken ein wenig umstellen. Wir werden das aber durch Schulungen und Dialogveranstaltungen begleiten“, so Lorra.
Die Gemeinschaft ist laut Apothekerin Lorra der Schlüssel zum Erfolg: „Unser Vorteil ist, dass wir unsere Kunden und Kollegen kennen und uns auf sie einstellen können. Unser Großhandel ist auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten.“ Entsprechend sieht die personelle Besetzung aus: Einer der beiden Vorstände soll Apotheker sein, und auch in Aufsichtsrat sowie Beirat sollen die Genossenschaftsmitglieder die Richtung in Sachen Strategie und Einkauf vorgeben.
Vorerst muss Gesine allerdings noch einige Klippen umschiffen: Denn der Etablierung als selbstständiger Großhändler dürfte das bisherige Geschäftsmodell als unabhängiger Makler für Konditionen teilweise zum Opfer fallen. Apotheken, die in Zukunft nicht bei Gesine bestellen, werden nicht mehr am gemeinsamen Einkauf teilnehmen können.
Allerdings befürchtet Lorra keinen Aderlass bei den derzeit rund 200 Mitgliedern der Kooperation: Im Gegenteil: Der Apothekerin zufolge kann der Gesine-Großhandel auf lange Sicht sogar zu einem „Schmelztiegel“ für die Branche werden. „Der Kampf um Konditionen betrifft ja nicht nur Gesine. Alle Einkaufsgemeinschaften stehen derzeit vor der alles entscheidenden Frage, wie sie sich aus der Abhängigkeit ihrer Lieferanten befreien“, argumentiert Lorra. Als Großhandel will Gesine für alle Apotheken offen sein. Gespräche mit anderen Kooperationen laufen bereits.
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