Übertriebene Außendienst-Kontrolle

Gericht verbietet Telematik-Box

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Berlin -

Wie weit darf der Chef gehen, um seine Mitarbeiter im Außendienst zu kontrollieren? Ein Telematik-System mit Totalüberwachung des Dienstwagens geht jedenfalls zu weit, entschied das Arbeitsgericht Heilbronn. Doch im Kündigungsstreit bekam der Arbeitsnehmer nicht in allen Punkten recht.

Die frühere Praxis war so: Die Außendienstmitarbeiter des Unternehmen hatten zu Wochenbeginn eine Vorausplanung ihrer Fahrten zu übermitteln und zum Ende der Woche die getätigte Tour mit Angabe von aufgesuchtem Ort, Uhrzeit und Ansprechpartner anzugeben. Auf der wöchentlichen Spesenabrechnung waren dann die täglichen Kundenbesuche und die gefahrene Strecke angegeben. Jeder Außendienstmitarbeiter besaß ein mobiles Diensttelefon.

Doch dann teilte der Arbeitgeber im August 2018 mit, dass in jedes Dienstfahrzeug eine sogenannte Telematik-Box eingebaut werden solle, mit deren Hilfe sich eine Echtzeit-Ortung aller im Dienst befindlichen Fahrzeuge durchführen lasse. In der Mitteilung waren die mit dem Einbau des Tracking-Systems aus Arbeitgebersicht verbundenen Vorteile aufgezählt. Mit einem „Privat-Button“ sollte die Ortung ausgeschaltet werden können.

Der später klagende Mitarbeiter verweigerte ausdrücklich die Einwilligung sowohl in die Montage der Telematik-Box als auch in deren Inbetriebnahme. Den Einsatz des GPS-Ortungssystems hielt er für datenschutzrechtlich unzulässig. Der Arbeitgeber verwies darauf, dass die Fahrzeuge in seinem Eigentum stünden, so dass es keiner Einwilligung des Mitarbeiters zum Einbau des Systems bedürfe. Bezüglich der Inbetriebnahme werde es vermutlich einen Rechtsstreit geben.

Weil sich der Außendienstler weigerte, das Gerät montieren zu lassen, erhielt er eine schriftliche Abmahnung. Er klagte im August 2018 zunächst gegen seinen Arbeitgeber. Diesem sollte gerichtlich verboten werden, das Gerät einzubauen. Im Oktober sollte er die Telematik-Box in der Werkstatt einbauen lassen. „Das Geschehen dort in der Werkstatt ist zwischen den Parteien streitig, jedenfalls fuhr der Kläger dann mit dem Dienstfahrzeug der Beklagten wieder davon, ohne dass das Telematik-System zuvor eingebaut worden war“, heißt es im Urteil des Arbeitsgerichts.

Im Verfahren sagte er aus, dass ihm der Werkstattleiter auf Nachfrage versichert habe, dass es gar keine Abschaltvorrichtung gebe und der Chip nach Einbau sofort aktiv sei. Deshalb habe er den Einbau abgelehnt. Die Gegenseite behauptet, dass die Box ihre Tätigkeit erst aufnehme, wenn die SIM-Karte (passwortgeschützt) aktiviert werde. Dem Mitarbeiter wurde jetzt fristlos gekündigt, hilfsweise ordentlich zu Ende November. Vor Gericht erweiterte er seine Klage entsprechend.

Das Arbeitsgericht hob die fristlose Kündigung auf und lehnte auch die hilfsweise beantragte ordentliche Kündigung ab. Das Arbeitsverhältnis sei nicht beendet. Zwar hatte sich der Arbeitnehmer unstreitig geweigert, die mehrfach erteilte die Weisung zu befolgen, in sein Dienstfahrzeug ein Telematik-System einbauen zu lassen. Die Anweisung an sich ist laut Gericht auch nicht durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag eingeschränkt. Die ausgesprochene Abmahnung ist daher aus Sicht des Gerichts auch wirksam und berechtigt. In diesem Punkt scheiterte die Klage des Arbeitnehmers. Man könne unterstellen, dass eine Erfassung und Speicherung der Standortdaten sowie gegebenenfalls weiterer Daten zum Fahrverhalten noch nicht erfolge. Damit allein sei die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht berührt.

Das Gericht stellte aber auch fest, dass die mit der Telematik-Box gewonnenen Daten unzweifelhaft personenbezogene Daten sind. Unzweifelhaft könne aus der bloßen Kenntnis des Kennzeichens des Dienstwagens auf den Kläger geschlossen und könnten alle zum Dienstwagen erfassten Daten dem Kläger zugeordnet werden. „Sämtliche von der Beklagten vorgebrachten Zwecke der Datenverarbeitung reichen – weder einzeln noch in Summe – aus, um die von ihr gewünschte Datenverarbeitung zu rechtfertigen“, so das Urteil.

Die Telematik-Box sollte nicht nur die Fahrtstrecke erfassen, sondern bei der genauen Auswertung des Kraftstoffverbrauchs helfen, bei der automatischen Planung der Wartungsintervalle, der Analyse des Fahrverhaltens für jeden Fahrer, personalisierten Ratschlägen für jeden Fahrer im Bereich Eco-Driving und der Wiedererlangung des Fahrzeugs im Fall eines Diebstahls.

Das Gericht fand das unangemessen: Es gab ja bereits die wöchentliche Spesenabrechnung und der Arbeitgeber hätte vom jeweiligen Außendienstmitarbeiter die genaue gefahrene Route abfragen können. „Ebenso ist ihr unbenommen, die Berichtspflichten weiter zu detaillieren oder nähere Angaben zu fordern“, so das Arbeitsgericht. Dann müsse der Arbeitgeber „nicht mit dem schärfsten theoretisch möglichen Mittel einer Totalüberwachung vorgehen“. Der Mitarbeiter werde konstant überwacht, sobald die Zündung an ist, so dass der Arbeitgeber immer wisse, wo er ist und wie er fährt – „ob er einen Kavaliersstart hinlegt oder nicht“. Das Bundesverfassungsgericht habe aber schon im Volkszählungsgesetz-Urteil von 1983 entschieden, eine Totalüberwachung unzulässig ist. Insofern war die Kündigung unwirksam.

Der Kläger gewann zu zwei Drittel: Die Kündigung wurde aufgehoben und die Erfassung und Speicherung der Daten als erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht untersagt. Er unterlag in dem Ansinnen, den Einbau des Telematik-Systems generell verbieten zu lassen sowie mit dem Antrag auf Entfernung der Abmahnung. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, Berufung zulässig.

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