Abmahnungen sind teuer und ärgerlich – vor allem, wenn man selbst nichts Unrechtes getan hat. Insbesondere Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel, die gar nicht zum Kernsortiment gehören, aber in der Software gelistet sind, machen Ärger. Jetzt hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) entschieden, dass Apotheker nur dann belangt werden können, wenn sie von den Fehlern bei der Kennzeichnung gewusst hätten müssen.
In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Apotheker Post von spezialisierten Anwälten bekommen, weil in ihrer Software Produkte ohne ordnungsgemäße Kennzeichnung gelistet waren. Entweder wurden gezielt die Webshops durchsucht, in anderen Fällen wurden sogar Testkäufer losgeschickt, die die Produkte bestellen und kaufen sollten.
Das ging zu weit, erklärte jetzt das OLG Düsseldorf in einem Streit zwischen Veniapharm und einem Apotheker. Laut novellierter EU-Lebensmittelinformationsverordnung dürfen Händler „keine Lebensmittel abgeben, von denen sie aufgrund der ihnen im Rahmen ihrer Berufstätigkeit vorliegenden Informationen wissen oder annehmen müssen, dass sie dem anwendbaren Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nicht entsprechen“.
Die Anwälte des Apothekers von der Frankfurter Kanzlei Schadbach hatten bereits in früheren Fällen auf diese Klausel hingewiesen, waren aber bei den Richtern bislang nie durchgedrungen. Jetzt wurde erstmals anerkannt, dass Apotheker nicht beim ersten Verstoß haften, sondern erst wenn sie sich „bösgläubig“ verhalten. Wissen Inhaber, dass ein Produkt nicht den Vorschriften entspricht, dürfen sie es nicht mehr abgeben. Die neue Regelung gilt seit dem 13. Dezember 2014.
Anfang 2014 hatte das Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) noch entschieden, dass Apotheker auch ohne eigene Schuld für unzulässige Produktangaben haften. Es gehe nicht um eine Frage der Zumutbarkeit; es sei Sache des Apothekers, „die Rechtmäßigkeit des von ihm – auch automatisch – angebotenen Produktsortiments sicherzustellen.“ Dabei war es laut Urteil egal, dass der Apotheker das Produkt nicht einmal verkauft hatte – schon das Angebot sei wettbewerbswidrig. Eine Haftungsprivilegierung – wie sie etwa ebay als Verkaufsplattform genießt – gibt es laut OLG für Versandapotheken nicht.
In erster Instanz hatte das LG Hamburg dem Apotheker recht gegeben: Es sei ihm nicht zuzumuten, alle Daten aus der Lauer-Taxe regelmäßig auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Schließlich werden die rund 415.000 Artikel im Rhythmus von zwei Wochen aktualisiert.
Ein Apotheker aus Darmstadt hatte in seinem Onlineshop ein falsch deklariertes Produkt namens „Riolife Eye“ angeboten. Das angegriffene Produkt hatte der Apotheker nie verkauft, es war zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr lieferfähig. Doch über die Suche des Mauve-Onlineshops konnte es noch gefunden werden, weil die Informationen aus der Lauer-Taxe automatisch übernommen wurden. Ein Konkurrent des Herstellers Pures hatte den Apotheker abgemahnt.
In einem anderen Fall hatte sich das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) im Sommer in einem Hinweisbeschluss zu Testkäufen der Firma Veniapharm geäußert. Die Grenze sei überschritten, wenn „keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine begangene oder bevorstehende Verletzung vorliegen, der Tester vielmehr lediglich die Absicht verfolgt oder als Werkzeug in diesem Sinne eingesetzt wird, einen Mitbewerber 'hereinzulegen'“, so die Richter.
„Die Apotheken, die das Produkt nicht vorrätig hielten, wurden zu einem Wettbewerbsverstoß veranlasst.“ Dieser Vorgang sei unlauter. Auch die hohe Anzahl der Abmahnungen spreche insgesamt für sachfremde Motive wie eine auf die Gebühren gerichtete Abmahntätigkeit.
Laut Beschluss hatte Veniapharm außerdem keine dezidierten Angaben zur eigenen finanziellen Situation gemacht. Die vorgelegten Bilanzen seien ungeeignet, die Aussagen zu stützen, da sich daraus keine brauchbaren Tatsachen ableiten ließen. Deshalb könne nicht festgestellt werden, dass der Umfang der Abmahnungen in einem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit und dem Geschäftsumfang stehe. „Das ist ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Abmahntätigkeit“, so die Richter.
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