Noventi ist mit seinem Vorhaben, bei Apothekerinnen und Apothekern über Genussscheine Geld einzusammeln, vorerst kläglich gescheitert. Gerade einmal 2,5 Millionen Euro konnten in der ersten Runde eingesammelt werden, 40 Millionen Euro sollten eigentlich zusammenkommen. Das Management versucht zu erklären.
Um Geld zu besorgen, hatten sich der Vorstand um CEO Dr. Hermann Sommer sowie der Aufsichtsrat um den ehemaligen Apobank-Chef Herbert Pfennig vom Eigentümerverein FSA als Alleinaktionär dazu ermächtigen lassen, Genussscheine in Höhe von bis zu 80 Millionen Euro in mehreren Tranchen auszugeben. Die erste Serie in Höhe von bis zu 40 Millionen Euro sollte den Mitgliedern des FSA angeboten werden.
Doch die Resonanz ist bescheiden: „Das Zeichnungsvolumen der Serie 1 beläuft sich auf circa 2,53 Millionen Euro“, bestätigt eine Sprecherin auf Nachfrage. Bei einer Stückelung von 1000 Euro wurden also gerade einmal 2530 Genussscheine ausgegeben – der FSA hat 4000 Mitglieder, die unter anderem vom Außendienst aktiv angesprochen wurden.
Laut der Sprecherin war man bei Noventi nicht überrascht, zumal man offenbar selbst nicht mit einer größeren Resonanz gerechnet hatte. „Wichtig in der ersten Serie war neben der Beteiligungsoption an sich vor allem jedem FSA-Mitglied die gleiche Chance zu ermöglichen einen Mindestbetrag zu zeichnen, woraus sich die rechnerische Mindesthöhe der ersten Serie ergeben hat. Mit dieser Dimensionierung haben wir den Wunsch des Alleinaktionärs umgesetzt.“
Um dennoch möglichst viele Apotheker:innen zu motivieren, hatte Noventi fünf berühmte Pharmazeuten des 17. und 19. Jahrhunderts zu Leitfiguren gemacht: „Theodor Fontane wäre Noventi-Eigentümer“, lautete das Motto der Kampagne. Auch Christoph Heinrich Boehringer, Johann Eduard Fresenius, die Gründerfamilie Merck und Ernst Christian Friedrich Schering mussten für die Aktion herhalten.
„Unter Berücksichtigung der aktuellen Situation auf den Finanzmärkten sind wir mit der erreichten Anzahl von ausgegebenen Genussscheinen zufrieden“, so die Sprecherin weiter, „und freuen uns sehr auf die nächsten Serien, die in Kürze starten und nach prioritärer Ansprache der Eigentümer dann einen deutlich größeren Berechtigtenkreis ansprechen werden.“
In den nächsten Serien sollen nun Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeitende angesprochen werden, auch „Gesundheitsmarkt-nahe institutionelle Anleger“ sollen als Kapitalgeber gewonnen werden. Letzteres sind Partner, die sich „ähnlich wie Noventi dem Thema Gesundheit der Menschen widmen und hauptsächlich einen Bezug zum Gesundheitswesen haben“, so die Sprecherin. „Hierunter zählen zum Beispiel auch Apothekerversorgungswerke oder Apothekerverbände. Wir haben uns bewusst für diesen bestimmten Kreis an Investoren entschieden, die der Noventi-Group, unsere Vision und unserem Ziel, des Erhalts und des Ausbaus der hybriden flächendeckenden Gesundheitsversorgung Deutschlands, sehr nahe sind. Internationale Kapitalanleger, unter anderem auch Private Equity-Gesellschaften schließen wir aus gutem Grund aus.“
Die Genussscheine berechtigen zur prozentualen Teilnahme an Gewinnausschüttungen, beinhalten aber keinerlei Mitspracherechte und bergen aber auch das Risiko einer Verlustbeteiligung: Können Fehlbeträge bis zum Ende der Laufzeit am 31. Dezember 2022 nicht ausgeglichen werden, gibt es weniger Geld zurück. Der Basissatz liegt für die erste Tranche bei 4 Prozent, erwirtschaftet Noventi mehr als 15 beziehungsweise 20 Millionen Euro Gewinn, gibt es jeweils einen Prozentpunkt mehr. Eine Anpassung bei den nächsten Runden ist möglich: „Die Zinssätze der entsprechenden Serien werden vor der jeweiligen Emission festgelegt. Auch wenn wir die nicht absehbare Entwicklung aufgrund der Ukraine-Krise genau beobachten, schätzen wir unseren bisherigen Zinsrahmen weiterhin als grundsätzlich sehr interessant ein.“
Bei den Genussscheinen gehe es darum, den „ursprünglichen Baufehler“ zu beseitigen, dass man zwar eine „klare und unverrückbare Eigentümerschaft durch Apotheken in Form des Alleineigentümers FSA“ habe, die Apothekerinnen und Apotheker aber als Vereinsmitglieder „nicht direkt am Erfolg von Noventi teilhaben können“.
Wichtigster Grund für das Angebot ist aber der „Finanzierungsbedarf“: Das Geld soll zur Stärkung der Eigenkapitalbasis, zur teilweisen Weiterleitung als zusätzliches Eigenkapital an Tochtergesellschaften sowie zum weiteren organischen oder anorganischen Wachstum verwendet werden. Konkrete Details und Wachstumsinitiativen gab es in den Unterlagen nicht.
Stattdessen legte das Management eine Bilanz vor, die Beobachter überraschte: Zwar hatte Noventi im Jahr 2020 einen Konzerngewinn von 1,7 Millionen Euro erzielt, nach einem Verlust von 1,6 Millionen Euro im Vorjahr. Gleichzeitig sind aber die Nettofinanzverbindlichkeiten, also die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten abzüglich Kassenbestand und Guthaben, von 22 auf 81 Millionen Euro regelrecht explodiert. Im ersten Halbjahr 2021 waren sie sogar noch weiter gestiegen auf 93 Millionen Euro – während der Überschuss bei einem Umsatz von 120 Millionen Euro nur auf 3,1 Millionen Euro zulegte. Laut Bilanz stehen einem Eigenkapital von 80 Millionen Euro insgesamt Verbindlichkeiten von 140 Millionen Euro gegenüber, 115 Millionen Euro davon gegenüber Kreditinstituten.
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