Bei der Stada wird aufgeräumt. Nach dem überraschenden Ausscheiden von Konzernchef Hartmut Retzlaff werden die Strukturen auf den Prüfstand gestellt. Retzlaff jr. muss einen Teil seiner Posten abgeben; auch zwei Berater des ehemaligen CEO müssen ihren Hut nehmen. Derweil bringt sich ein zweiter Investor in Stellung.
Der Vorstand sei „damit beschäftigt, die Unternehmensstrategie zu aktualisieren und konkrete Ziele und Zielstrukturen für die Zukunft zu definieren“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters aus einem Brief der beiden verbliebenen Vorstände Matthias Wiedenfels und Helmut Kraft an die Belegschaft. Weitere Änderungen in der Führung des Unternehmens stünden bevor. „Da wird kein Stein auf dem anderen bleiben“, so ein Insider gegenüber Reuters.
Bereits beschnitten wurde demnach der Aktionsradius von Steffen Retzlaff. Der Sohn des Konzernchefs hatte in den vergangenen Jahren einen bemerkenswerten Aufstieg im Unternehmen hingelegt und immer mehr Ämter übertragen bekommen, wobei er direkt an seinen Vater berichtete. APOTHEKE ADHOC berichtete.
Er soll sich künftig auf die Vertriebsregion MENA (Middle East & North Africa) und Asien/Pazifik konzentrieren. Den Posten als Geschäftsführer von Stadavita muss er dagegen abgeben. Auch das neu aufgebaute Ästhetikgeschäft soll laut Schreiben „einem umfangreichen Review unterzogen“ und enger in die bestehenden Strukturen eingebunden werden. Ein eigenständiger Vertrieb sei dafür wohl nicht nötig, so Reuters.
Auch zwei externe Berater müssen ihren Platz räumen: Nikola Stankovic und Hans Stols waren seit Anfang 2015 als „Senior Advisor of the CEO“ an Bord. Stankovic hatte lange für den serbischen Tochterkonzern Hemofarm gearbeitet und war zuletzt bei Stadavita involviert. Stols war seit 1988 für den Konzern tätig und 2006 nach einem halben Jahr als Produktionsvorstand überraschend aus „persönlichen Gründen“ ausgeschieden. Er kümmerte sich dem Vernehmen nach um Apo-Go, das umsatzstärkste Produkt des Konzerns, und die Region MENA/Asien.
Ein Konzernsprecher bestätigte Existenz und Inhalte des Schreibens. Einen Nachfolger an der Spitze von Stadavita gibt es noch nicht. Das harte Durchgreifen von Wiedenfels und Kraft soll offenbar den internen und externen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Gleichzeitig wachsen so die Zweifel, ob Retzlaff zurückkehren wird. Der langjährige Konzernchef war Anfang Juni überraschend „bis auf Weiteres“ von seinem Amt zurückgetreten. Grund sei eine schwere, voraussichtlich länger andauernde Erkrankung des Managers, teilte der Generikakonzern in Bad Vilbel nach einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung mit.
Retzlaff stand seit 1993 an der Spitze des Konzerns; der einstige Pharmareferent hatte es mit Talent und Intuition nicht nur geschafft, aus dem einstigen lokalen Anbieter einen internationalen Konzern zu schmieden, sondern sich dabei auch noch selbst an der Spitze unangreifbar gemacht. Kritiker warfen ihm vor, zu weit gegangen zu sein. Sie verwiesen auf die Grundsätze der guten Unternehmensführung, denen börsennotierte Unternehmen unterliegen.
Retzlaffs Ausscheiden trifft die Stada in einer empfindlichen Phase. Der Finanzinvestor Active Ownership Capital (AOC) fordert den Umbau des Unternehmens und will in einem ersten Schritt den Aufsichtsrat auswechseln.
Der Druck wächst jetzt mit dem Einstieg des US-Investors Guy Wyser-Pratte, der laut Handelsblatt einen Aktienbestand aufgebaut hat, der noch unter 3 Prozent liegt. Wyser-Pratte forderte in dem Interview einen Zusammenschuss mit einem internationalen Konkurrenten, da das Stada-Management die Internationalisierung nicht energisch genug vorangetrieben habe. „Da wurden Chancen verpasst“, sagte Wyser-Pratte dem Handelsblatt. Auch eine Dachlösung mit Hilfe eines Investors wie CVC Capital Partners sei möglich. CVC hat bereits Pharmahersteller im Portfolio; Ende Mai hatte ein Medienbericht über Gespräche mit CVC den Aktienkurs von Stada in die Höhe schnellen lassen. Später dementierte ein Konzernsprecher, dass es Gespräche gebe.
Auch Wyser-Pratte zählt zur Gruppe der aktivistischen Investoren. So hatte er den Umbau der Vorläufergesellschaft IWKA des heutigen Roboterspezialisten Kuka erzwungen. Auch beim Bahntechnik-Konzern Vossloh war er einst eingestiegen. In den vergangenen Jahren war es aber eher ruhig um Wyser-Pratte geworden.
Stada hatte sich unlängst eine Investmentbank an die Seite geholt, um seine Position gegenüber den Anteilseignern zu stärken. Wiedenfels habe eine große US-Bank beauftragt, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vor einer Woche mit Verweis auf das Kapitalmarktumfeld. Ein Konzernsprecher lehnte eine Stellungnahme in der Zeitung ab.
Das Mandat zeigt das Bemühen Stadas, sich gegen Übernahmebegehren sowie gegenüber die aktivistischen Aktionären zu behaupten. Bei dem Auftrag handele es sich offenbar nicht um ein klassisches reines Verteidigungsmandat – bei dem also die Banker eine Strategie für den Fall einer Übernahmeofferte entwerfen.
Es gehe vielmehr darum, den Vorstand generell bei der Positionierung des Unternehmens gegenüber großen Investoren zu beraten. Das dürfte dann allerdings auch eine Abwehrstrategie umfassen, sollte eine Übernahme drohen.
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