Generikakonzerne

Stada: „Wir kommen in Frieden“ Patrick Hollstein, 29.04.2017 08:37 Uhr

Berlin - 

Die Stada soll verkauft werden, rund 65 Euro je Aktie bieten die Finanzinvestoren Bain Capital und Cinven – unter der Bedingung, dass sie mindestens 75 Prozent und damit die Kontrolle bekommen. Insgesamt wird der Generikakonzern inklusive Schulden mit 5,3 Milliarden Euro bewertet, der Vorstand gab bereits grünes Licht. Um kritische Stimmen zu besänftigen, haben sich die Hedgefonds eine Friedenspflicht auferlegt: Auf kurze Sicht soll es noch keine gravierenden Einschnitte geben.

Auch wenn es schon früher regelmäßig Übernahmegerüchte gegeben hatte: In den Fokus der Finanzbranche geriet die Stada im vergangenen Frühjahr. Der aktivistische Investor AOC jagte erst Konzernchef Hartmut Retzlaff davon, dann mussten seine getreusten Weggefährten gehen. Bei der Hauptversammlung Ende August wurde auch der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Martin Abend abgewählt. Die einstige Apotheker- und Ärzte-AG war nun endgültig zum Abschuss freigegeben.

Der Betriebsrat sprach sich schnell gegen eine Übernahme durch Finanzinvestoren aus. Schließlich hatten die von Anfang klar gemacht, dass sie den Konzern auf Effizienz trimmen wollten. Und den sogenannten Heuschrecken eilt ihr Ruf voraus: Kaufpreis auf das Unternehmen umschulden, rationalisieren, filetieren, aufpumpen, versilbern. Die Interessen der Belegschaft in Deutschland ließen sich am besten vertreten, „wenn Stada als eigenständiges Unternehmen erhalten bleibt“, erklärte der Betriebsrat im Februar. Man mache sich Sorgen um die Arbeitsplätze in Deutschland.

Zwar hatten die Investoren mehrfach betont, keinerlei Interesse an einer Zerschlagung zu haben, sondern in das Unternehmen investieren zu wollen. Zugleich wurden Bekenntnisse zum Standort Deutschland abgegeben. Die IG Bergbau, Chemie und Energie blieb dennoch skeptisch: „Wir müssen sehen, ob das ernst gemeint oder ein Lippenbekenntnis ist. Die Sicherung der 1300 Arbeitsplätze in Deutschland und auch der Arbeitsbedingungen haben für uns oberste Priorität.“

Nun liegt das Angebot von Bain und Cinven auf dem Tisch. 4 der 177 Seiten widmen sich dem sogenannten Investment Agreement, das die Investoren mit dem Stada-Vorstand geschlossen haben. In der Vereinbarung sind verschiedene Leitlinien definiert, von denen nach den derzeitigen Absichten nicht abgewichen werden soll. Das gilt für zwei Jahre. Bei Themen zu Belegschaft, Arbeitnehmern, Arbeitnehmervertretung und Beschäftigungsbedingungen ist sogar eine Friedenspflicht von vier Jahren vorgesehen. Betriebsbedingte Kündigungen sollen bis Ende 2019 ausgeschlossen sein.

Konkret versprechen die Investoren, Zweck des Angebots sei „die fortgesetzte Stärkung und das Wachstum des Geschäfts der Stada-Gruppe“. Man wolle einen Mehrwert schaffen, indem man den Vorstand dabei unterstütze, den bereits eingeschlagenen Transformationsprozess erfolgreich fortzusetzen, in die Entwicklung von neuen Produkten zu investieren, Akquisitionen zu tätigen und ein organisches Wachstum zu verfolgen, um den Erfolg des Unternehmens sicherzustellen. Dazu gehöre auch, dass bei der Dividendenpraxis die finanziellen Bedürfnisse der Stada gebührend berücksichtigt würden.

Weder die Stada noch die Tochterfirmen sollen ihre Namen ändern müssen; auch die Marken sollen ihre Eigenständigkeit behalten und bei der Steigerung ihrer Bekanntheit unterstützt werden. Der Konzernsitz soll in Bad Vilbel bleiben, auch die Tochterfirmen sollen nicht zu einem Umzug gedrängt werden. Weder mittelbar noch unmittelbar sollen wesentliche Vermögenswerte veräußert werden – es sei denn, der Vorschlag kommt vom Vorstand. Der soll weiterhin drei Mitglieder haben und unabhängig und in eigener Verantwortung nach deutschem Recht agieren können; lediglich im Aufsichtsrat wollen Bain und Cinven die Kontrolle übernehmen.

Die „engagierte Belegschaft“ mit ihrer Kreativität und Leistung wird als „Fundament des fortgesetzten Erfolgs von Stada“ gesehen. Die Investoren wollen den „konstruktiven Dialog mit allen Arbeitnehmervertretungen“ fortführen und ausbauen und den Vorstand darin unterstützen, „attraktive und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu erhalten und zu schaffen, um die hervorragende globale Arbeitnehmerbasis zu erhalten“.

Auf keinen Fall sollen bestehende Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge oder ähnliche Absprachen zu den Arbeitsbedingungen geändert oder gar beendet werden. Vielmehr sollen die Rechte der Arbeitnehmer und Betriebsräte und die damit verbundenen Strukturen respektiert werden. Auch die Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat soll unangetastet bleiben.

Bis zum 1. Januar 2020 sollen auch keine betriebsbedingten Kündigungen an gewerbliche Mitarbeiter in Deutschland ausgesprochen werden; im Gesamtkonzern soll es über die vom Vorstand vorgesehene Kürzung der Belegschaft hinaus keine weiteren Entlassungen geben. Dies alles steht unter dem Vorbehalt, dass der Konzern nicht in eine existenzbedrohende Situation gerät, die betriebsbedingte Kündigungen rechtfertigt.

Einige strukturelle Änderungen sind aber bereits vor Ablauf der Friedensfrist vorgesehen: Da die Investoren mindestens 75 Prozent der Aktien einsammeln wollen, steht der Abschluss eines Gewinn- und Beherrschungsvertrags bereits fest. Mittel- und langfristig sollen alle Anleger ausbezahlt und der Konzern von der Börse genommen werden.

Was die Selbstverpflichtung wert ist, lässt sich nicht vorhersagen. Brechen die auf Fonds mit Sitz auf Cayman Islands, Guernsey und Luxemburg ihre Versprechen, droht ihnen für den nächsten Deal ein Imageverlust. Der Stada-Vorstand ist jedenfalls überzeugt, „sehr gut verhandelt“ zu haben – nicht nur, was den Preis angeht. Spätestens mit Ablauf der Stillhaltefrist ist mit weitreichenden Änderungen zu rechnen: Bayer hatte Steigerwald zunächst selbstständig erhalten und nach Ablauf der Friedenspflicht integriert.

Bain wurde 1984 vom ehemaligen US-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney gegründet; das Geld kam in den Anfangsjahren von Geschäftsleuten aus El Salvador. Mit Staples wurde der Hedgefonds groß, später gehörten Unternehmen Domino‘s Pizza und Jack Wolfskin zum Portfolio. Heute sind von Bain verwaltete Fonds unter anderem bei QuintilesIMS und Toys‘R‘Us investiert.

Cinven wurde 1977 in London gegründet; die Pensionsfonds von British Coal, Railway Industries und der Bank Barclays brachten ihre Rücklagen ein. Von 2003 bis 2009 war Cinven am Fachverlag Springer Science+Business Media beteiligt. Die Laborbetriebe Synlab und Labco wurden 2015 gekauft, heute ist die dänische Novo-Gruppe mit 10 Prozent dabei. Seit vergangenem Jahr gehört auch das Auftragsforschungsunternehmen BioClinica zu Cinven.