Kommentar

Stada in Not

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Berlin -

Wer dachte, chaotischer als im vergangenen Jahr könnten die Zustände bei der Stada nicht werden, der wird jetzt eines Besseren belehrt. Deal verpatzt, Vorstand weg, zwei Verwalter sollen den Konzern über die Zeit retten. Der Aufsichtsrat: führungs- und ideenlos. Der Stolz der Selbstständigkeit: verschwunden. Geist der Stada: verloren. An einer Übernahme, so scheint derzeit jeder zu spekulieren, führt kein Weg mehr vorbei.

Dr. Matthias Wiedenfels war von Anfang an nur ein Interimsmanager, auch wenn er selbst das am wenigsten so sah. Als Hartmut Retzlaff im vergangenen Juni vom Hof gejagt wurde, wollte Wiedenfels aufräumen – und ohne Rücksicht auf Verluste verfestigte Strukturen aufbrechen, auch oder vielleicht gerade weil er selbst Teil derselben gewesen war.

Das Traditionsunternehmen sollte neu ausgerichtet werden, ein bisschen jedenfalls. Ein wenig Farbe, ein zusätzlicher Bogen, schon sah das Logo neu aus – und, wie Wiedenfels wohl hoffte, auch die Stada. Ehrgeizige Ziele wurden ausgegeben; wie diese erreicht werden sollten, blieb im Unklaren. Zweisäulenmodell, Internationalisierung, man kannte das schon aus Retzlaffs Zeiten.

Die gesamte Führungsmannschaft auf operativer Ebene wurde ausgetauscht, prominente Gesichter gingen, aber es kamen lange keine neuen. Dass Finanzvorstand Helmut Kraft das Schlüsselressort Marketing & Vertrieb übernahm, spricht Bände. Vieles deutete darauf hin, dass man in Bad Vilbel erst zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, dann mit den Investoren. Es schien nicht um die Frage zu gehen, ob die Stada verkauft wird, sondern nur noch wann und an wen. Der Auftritt der Stada am Markt musste dabei fast schon zwangsläufig auf der Strecke bleiben.

Man könnte es Wiedenfels und Kraft nicht verdenken, wenn sie von Anfang an darauf hingearbeitet hätten, die Stada an einen neuen Besitzer zu bringen. Schon bei Celesio zeigte sich: Man muss als Manager nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, um im entscheidenden Moment nachzurücken. Wenn dann der Eigentümer keine Lust mehr hat, kann man schon nach wenigen Monaten am warmen Geldregen teilhaben.

Doch stattdessen ist der Deal geplatzt, auch weil Wiedenfels bei den Anlegern keine Aufbruchs- oder vielmehr Abbruchstimmung erzeugen konnte. Dass er sich nicht auf Dauer halten würden können, war schnell klar. Allzu weit hatte er sich aus dem Fenster gelehnt, von einer noch rosigeren Zukunft unter neuem Besitzer geschwärmt. Wer will so einen schon in seinem Haus haben?

Gelegenheit, einen neuen Konzernlenker zu suchen, gab es seit zwölf Monaten. Doch auch der Aufsichtsrat hatte keinen Plan B. Die Profis, die die ach so unerfahrenen Apotheker und Ärzte ersetzten, haben keine Bindung zur Stada, scheinen nicht einmal zu wissen, was das Beste für sie ist. So taumelt der Konzern auf unruhiger See. Ja, die Vorgänger hatten das System Retzlaff allzu lange gedeckt. Seit ihrem Rausschmiss aber haben die Aktionäre, hat die Stada niemanden mehr, der ihre Interessen vertritt. Im Beirat gibt es noch ein Plätzchen für die früheren Eigentümer, doch der ließ sich zuletzt selbst in Fachmedien willfährig für die Kampagne des Vorstands einspannen.

Dass es so kommen würde, war eigentlich kein Wunder, waren die Manager und Berater doch ins Kontrollgremium gewählt worden, als die Investoren längst zum Angriff geblasen hatten. Wer ein Haus verkaufen will, holt sich schließlich auch nicht erst noch Mieter ins Objekt. Der übergibt stubenrein.

Engelbert Coster Tjeenk Willink und Dr. Bernhard Düttmann, die beiden neuen Vorübergehenden an der Stada-Spitze, sind erfahrene Manager – mit klarem Profil für Investmentangelegenheiten, aber ohne besondere Kenntnisse im OTC- oder Generikabereich.

Tjeenk Willink ist Arzt und hat einige Jahre in den Niederlanden in der Forschung gearbeitet, bevor er im April 1994 zu Boehringer Ingelheim kam. Dort war er in verschiedenen Positionen im Rx-Bereich tätig, bevor er 2009 im Vorstand den Bereich Marketing & Vertrieb übernahm. Seit seinem Ausscheiden Ende 2012 ist er in den Aufsichtsräten verschiedener Pharma- und Biotechfirmen aktiv. Außerdem ist er Berater diverser Hedgefonds.

Düttmann hatte ab 1989 für Beiersdorf gearbeitet, zuletzt als Finanzvorstand. Im März 2011 ging er als CFO zu Lanxess, der ehemaligen Chemiesparte von Bayer. Seit April 2015 ist er als selbstständiger Berater aktiv – unter anderem begleitete er zuletzt als Aufsichtsrat die Abspaltung der Elektroniksparte Media-Saturn von Metro.

Was heißt das für die Stada? Dass es bis Ende des Jahres kein anderes Ziel gibt, als den Laden zu verkaufen, lautet die wahrscheinlichste aller Antworten. Die Finanzhaie haben den letzten unabhängigen deutschen Generikahersteller als Beute ausgemacht – und werden nicht von ihm ablassen, nur weil einige renitente Ärzte und Apotheker nicht nach ihren Regeln spielen wollen. Die Angriffe der vergangenen Monate haben die Stada geschwächt und den Stolz der Eigenständigkeit weggeblasen.

Erst die Übernahme durch ist, darauf können sich die Mitarbeiter wohl einstellen, wird wieder Ruhe einkehren. Wird ein echter Konzernlenker eingesetzt werden, der den Tanker wieder auf Kurs bringt. Claudio Albrecht wäre ein Mann mit dem richtigen Format – sowohl mit Blick auf die Investoren als auch mit Blick auf den Markt. Sein Name fiel schon im vergangenen Sommer. Damals dementierte er hartnäckig, wohl auch weil er Neuraxpharm für den Finanzinvestor Apax zu einem europaweiten Generikahersteller aufbauen soll.

Zwischenzeitlich haben Albrecht und sein langjähriger Partner Peter Prock aber für Bain und Cinven die Bücher der Stada geprüft. Gut möglich, dass der ehemalige Ratiopharm- und Actavis-Chef doch noch in Bad Vilbel auftaucht. Ob Übernahme oder nicht: Die Stada könnte ihn brauchen.

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