Die Revolte ist gescheitert, die Revolution bleibt aus. Bei der Hauptversammlung der Stada gingen nach 13 Stunden am späten Freitagabend kurz vor Mitternacht weder Angreifer noch Verteidiger als Sieger vom Platz. Die Aktionäre haben sich für einen behutsamen Wandel entschieden, wobei sich niemand sicher fühlen kann. Ein Kommentar von Patrick Hollstein.
Auch der letzte Kleinaktionär hat in den vergangenen Wochen das Vertrauen in das alte System verloren. Dass auf einer Stada-Hauptversammlung offen von „Gehaltsexzessen und Vetternwirtschaft“ gesprochen wird, wäre noch vor einem Jahr undenkbar gewesen. An einem Wandel führt kein Weg, das zumindest hat der Angriff von AOC & Co. gebracht.
Wiedenfels hat es auf der Hauptversammlung mit Demut und Aufbruch versucht: Er hat Versäumnisse eingeräumt und Verbesserung versprochen. Er hat tolle Zahlen für das erste Halbjahr vorgelegt (50 Prozent Umsatzsteigerung alleine in Deutschland) und die Dividende deutlich erhöht.
Trotzdem blieb unter den Anlegern die Skepsis. Bei ihnen ist Wiedenfels nicht die starke, dauerhafte Nr. 1, als die er sich in den vergangenen Wochen gegeben hat. Sie wissen noch, dass auch er Teil des alten Systems war, von dem er so bemüht auf Abstand geht. Dass der Vorschlag für ein neues Vergütungssystem abgeschmettert wurde, darf sicher aus Warnsignal zu verstehen sein.
Doch auch dem aktivistischen Investor ist es nicht gelungen, die Anleger auf seine Seite zu ziehen. Wer steht hinter AOC, was ist die Strategie der Geldgeber, droht eine Zerschlagung? Die Fragen der Stada-Aktionäre konnten die ansonsten smarten und mit allen Wassern gewaschenen Angreifer nicht beantworten, die Zweifel nicht zerstreuen. Da half auch die Versicherung nichts, dem Unternehmen nichts Böses zu wollen.
So ist der Angriff von AOC im Grunde genommen gescheitert. Nur einen ihrer Kandidaten brachten die Investoren durch – und auch das wohl nur, weil die Anleger den bisherigen Aufsichtsratschef nicht mehr wollten.
In das Kontrollgremium ziehen stattdessen zwei Vertreter ein, die Stada vorgeschlagen und denen AOC offen das Misstrauen ausgesprochen hatte. Die Hoffnung, dass ihr Mann den Vorsitz übernehmen könnte, zerschlug sich noch in der Nacht.
Abends bisheriger Vize, Karl Ferdinand Oetker aus dem gleichnamigen Puddingclan, wurde, obwohl Teil des Systems nicht abgewählt, sondern an die Spitze befördert. Für die Stada ist die Situation nicht unbedingt einfacher geworden. Einen Radikalschnitt oder unerwartete Manöver wird es auf absehbare Zeit wohl nicht geben.
Das Investorenteam von AOC wird sich etwas einfallen lassen müssen, um das zu halten, was es seinen Kapitalgebern versprochen hat. Wenn die in den kommenden Wochen ihr Geld abziehen, weil sie nicht an die Reform der Stada glauben, wird die Phantasie der Anleger verschwinden und der Kurs wieder absacken.
AOC hat bereits angekündigt, womöglich rechtlich gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung vorzugehen. Das dürfte nicht unbedingt Ruhe ins Unternehmen bringen. Und die werden Wiedenfels & Co. brauchen, wenn sie ihr Versprechen halten wollen, die Stada aus eigener Kraft nach vorne zu bringen.
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