Claudio Albrecht hatte sie alle. Sandoz, Ratiopharm, Actavis, jetzt Stada. Dass er in Bad Vilbel die Leitung übernimmt, ist gut für den Konzern. Dass auch er nur vorübergehend kommt, weniger. Der Fall zeigt: Die neuen Mehrheitseigentümer wollen die Zügel in der Hand behalten.
Albrecht ist einer der profiliertesten Manager der Pharmabranche. Nach Jurastudium und Promotion an der Universität Innsbruck arbeitete er zunächst in Buenos Aires und Tel Aviv, bevor er 1987 bei Sandoz/Novartis anheuerte. Zehn Jahre später wurde ihm die Verantwortung für das Generikageschäft in den Niederlanden übertragen; ab 1998 war er in gleicher Funktion zunächst für Deutschland, dann für den US-Markt verantwortlich.
Im Oktober 2000 wechselte Albrecht als Vorsitzender der Geschäftsführung zu Ratiopharm. In den Folgejahren verdoppelte er die Umsätze; der Ulmer Generikakonzern stieg zur weltweiten Nummer 3 auf. Im November 2005 endete Albrechts Karriere überraschend: Firmenchef Adolf Merckle servierte Albrecht und andere Topmanager ab und machte seinen Sohn Philipp Daniel zur Nummer 1.
Laut Albrecht hatte seine Ablösung bei Ratiopharm nichts mit den Vertriebspraktiken zu tun, sondern mit unterschiedlichen Auffassungen über die Strategie, wie das Unternehmen zu führen sei. Dass Ratiopharm später verkauft wurde, sah Albrecht später als Bestätigung, wer letztendlich Recht hatte.
Sein Vertrag lief erst Ende 2007 aus. Zwei Jahre lang blieb es daher still, Anfang 2008 gründete Albrecht zusammen mit Peter Prock die Unternehmensberatung CoMeth. Die Partner begleiteten Generikahersteller und Investoren bei Übernahmen und strategischen Entscheidungen. Zu den Mandanten gehörte auch die schwedische Industriellenfamilie Wallenberg (AstraZeneca), die sich 2010 am Bieterverfahren für Ratiopharm beteiligte.
Parallel versuchte die Deutsche Bank als Hauptgläubiger von Actavis, ihren vier Milliarden Euro schweren Kredit durch die Fusion der beiden Konkurrenten zu retten. Als Teva in Ulm den Zuschlag erhielt, kam für Albrecht und Prock daher gleich der nächste Auftrag. Sie verlegten die Konzernzentrale von Reykjavík in die schweizerische Steueroase Zug. Nach erfolgreicher Sanierung und dem Verkauf an den US-Konzern Watson zogen sich die beiden Manager zurück.
Später war Albrecht als neuer Chef für Teva in der finalen Auswahl. Doch ihm fehlte nicht nur die israelische Staatsbürgerschaft, sondern auch die Lust: Statt wieder für einen anderen Konzern zu arbeiten, wollte er und Prock ihre Erfahrungen für eigene Projekte nutzen. Sie wollten nicht länger dem Stress in den Konzernzentralen ausgesetzt sein, sondern mit ihrer Beratungsfirma „Albrecht, Prock & Partners“ vom beschaulichen Unterägeri aus die Strippen ziehen.
Schon 2012 reiften Pläne, aus mehreren europäischen Firmen einen neuen großen Hersteller zu formen. Obwohl Albrecht und Prock es wegen der zahlreichen Patentabläufe eilig hatten, kam erst im vergangenen Jahr ein Deal mit Neuraxpharm und Invent zustande. Neben dem Finanzinvestor Apax beteiligten auch sie sich an der Finanzierung, blieben aber im Hintergrund. CEO der Gruppe ist der ehemalige Aristo-Geschäftsführer Stephan Walz.
Im Frühjahr begleiteten sie Bain und Cinven bei der Übernahme der Stada, nun übernimmt Albrecht den Chefsessel. Während er mit dem OTC-Geschäft bislang nur am Rande zu tun hatte, bringt er eine klar Vision für den Generikabereich mit. Er weiß, dass Hersteller künftig mehr anbieten müssen als möglichst preiswerte Packungen. „Das System in Deutschland ist ein totes System und kann für die Industrie keine Zukunft sein“, sagte er vor drei Jahren. Schon bei Actavis wollte er beispielsweise das Portfolio der oralen Antidiabetika um „generische“ Insuline erweitern, um irgendwann Gespräche mit Krankenkassen über die Behandlung von Diabetes-Patienten führen zu können.
Eigentlich sollte Albrecht in den Aufsichtsrat einziehen, doch die neuen Mehrheitsaktionäre wollen endlich vorankommen. So übernimmt er selbst die Führung, als Finanzchef bringt er Mark Keatley mit. Später soll er ins Kontrollgremium wechseln und von dort aus die Strategie des Konzerns steuern. Einen Kandidaten für den Chefposten gibt es angeblich bereits, nur soll der noch vertraglich gebunden sein.
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