Nach dem Verkauf von Neuraxpharm will sich die Strüngmann-Familie ganz auf ihr Engagement bei Aristo konzentrieren. Der Berliner Generikahersteller hat das beste Zeug, „Hexal 2.0“ zu werden. Nachdem der Umsatz in den vergangenen Jahren in Deutschland gewachsen ist, läuft nun die Expansion ins Ausland. Aktuell nehmen Niederlassungen in Österreich und Großbritannien ihren Betrieb auf.
Bei Aristo und Neuraxpharm hätten sich im zunehmenden Maße die Produkte überschnitten, erklärt Dr. Thomas Strüngmann, der die Verantwortung für Aristo vor zwei Jahren an seinen Zwillingsbruder Dr. Andreas Strüngmannn abgegeben hat. Beide Firmen hätten sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt, die weitere Entwicklung müsse jetzt im Ausland stattfinden. „Dies würde zu zunehmenden Interessenkonflikten führen. Deshalb haben wir uns entschlossen, Neuraxpharm zu verkaufen.“
Stattdessen hat Aristo gerade in Österreich eine Niederlassung gegründet; verantwortlich für die neue Dependance in Wien ist Dr. Birgit Pareiss. Die Ärztin hatte zuletzt als Geschäftsführerin für Exeltis gearbeitet; davor hatte sie bei der Sanofi-Tochter Genzyme den Geschäftsbereich Seltene Erkrankungen geleitet. Noch im Herbst sollen erste OTC-Produkte wie Kamillan, Eucabal und Carvomin in die österreichischen Apotheken kommen; die Entscheidung über einen eigenen Außendienst soll frühestens im kommenden Jahr fallen.
In Großbritannien hat Aristo parallel die Firma CEB Pharma gekauft. Der 2014 in Ely, Cambridgeshire, gegründete Hersteller hat bislang zwei Produkte im Angebot: das Seroquel-Generikum Mintreleq XL sowie ein Duloxetin-Präparat. Bei Aristo hofft man, dass das Start-up mit den drei verbliebenen der ursprünglich fünf Gründer zum Nukleus für das eigene Geschäft werden kann.
Aristo hatte bereits vor einigen Jahren erfolgreich die Fühler ins Ausland ausgestreckt. Nach weniger erfolgreichen Ausflügen in den Nahen Osten wurde im Juli 2011 die spanische Laboratorios Medicamentos Internacionales (Medinsa) von Grünenthal übernommen. Das Unternehmen mit Sitz in Madrid ist als Lohnhersteller auf feste orale Arzneiformen spezialisiert und produziert für so ziemlich jedes größere Generikaunternehmen. Außerdem vertreibt Aristo seitdem eigene Generika in Spanien und Portugal.
Mit Esparma hatte Aristo bereits 2009 Geschäft in Russland und der Ukraine gekauft; an dem Espumisan-Hersteller hatte sich zuvor der indische Hersteller Wockhardt verhoben. Das Auslandsgeschäft ist mittlerweile eine feste Größe: Zum Bruttoumsatz von 150 Millionen Euro auf Basis der Apothekenverkaufspreise in Deutschland kommen noch einmal 45 Millionen Euro aus Spanien/Portugal und 7 Millionen Euro aus Russland/Ukraine.
Aristo geht auf mehrere Hersteller zurück: Bereits 2001 übernahm die Strüngmann-Familie Lindopharm mit Sitz in Hilden. Verkäufer war der Privatgroßhändler „von der Linde“, der nach mehreren Jahrzehnten plötzlich Interessenkonflikte mit anderen Herstellern befürchtete. Bei dem Unternehmen hatte kurz zuvor Stephan Walz als Geschäftsführer angefangen. Als klar war, dass Lindopharm nicht mit Hexal verkauft werden würde, machte sich der Apotheker an den Ausbau des neuen Geschäfts.
Anfang 2006 wurde zunächst das Berliner Traditionsunternehmen Steiner Arzneimittel (Sedariston, Sogoon) gekauft, im Sommer desselben Jahres folgte Pharma Wernigerode (Kamillan, Parodontal, Imidin). Pünktlich zum Ablauf des dreijährigen Wettbewerbsverbots, zu dem sich die Strüngmanns beim 6 Milliarden Euro schweren Verkauf von Hexal an Novartis verpflichtet hatten, gründete Walz 2008 in Berlin den Generikahersteller Aristo. Die Gelegenheit war günstig: Nachdem Klosterfrau 2006 die Marken des Herstellers Lichtwer übernommen hatte, erwarb Walz aus der Konkursmasse die leer stehenden Produktionsanlagen im Norden der Stadt.
Den großen Wachstumsschub brachten dann die Rabattverträge: Nach Lindopharm beteiligte sich auch Aristo an den Ausschreibungen; mittlerweile ist die Firmengruppe bei allen großen Kassen vertreten. Größte Produkte sind Simvastatin, Cefurax und Carbamazepin. Dank der Verträge verdoppelten sich die Umsätze im Rx-Bereich zuletzt im Jahrestakt; allerdings zehrten die Investitionen die Gewinne der vergangenen Jahre zu einem großen Teil auf.
Mehr Ertrag wirft das OTC-Geschäft ab, das mit rund 20 Millionen Euro auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) allerdings von untergeordneter Bedeutung ist. Vor allem in den neuen Bundesländern sind die Produkte bekannt. Dazu kommen Produkte wie Gluco-test, die vor allem über Arztpraxen laufen.
Drittes Standbein ist die Lohnherstellung. Insgesamt hat die Firmengruppe – neben der spanischen Medinsa – vier Produktionsstandorte, zwei in Berlin, einen in Hilden und einen in Wernigerode. Lindopharm gilt als Vorreiter bei der Herstellung von Stickpacks. Die interne Logistik wird über Esparma mit Sitz in Magdeburg abgewickelt. Insgesamt arbeiten heute mehr als 1100 Mitarbeiter für die Firmengruppe, darunter 30 im Apotheken- und 75 im Arztaußendienst.
Geschäftsführer von Aristo sind heute Dr. Stefan Koch (Marketing/Vertrieb), Anton Karremann (Finanzen), Dr. Kristian Ruepp (Geschäftsentwicklung/Zulassung/F&E) sowie Dr. Sabine Brand (Produktion/Qualitätskontrolle). Koch und Brand kommen aus dem früheren Umfeld von Hexal. Walz ist seit 2015 nicht mehr im Unternehmen.
Nicht Teil der Gruppe sind Sidroga/Emser/Klinge, die seit einem Jahr unter der Dachmarke Strathos firmieren und ebenfalls der Strüngmann-Familie gehören. Hier hatte es Anfang des Jahres ebenfalls Wechsel an der Spitze gegeben: Stefan Prebil hatte die Geschäftsführung übernommen und die beiden langjährigen Firmenchefs Olaf Hirsch und Dr. Eva-Maria Karow abgelöst.
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