ApoRetrO – Der satirische Wochenrückblick

Geleakt: Die Wahrheit zur dm-Apotheke

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Berlin -

Die Drogeriekette dm will zur Apotheke werden – oder ist es in Wirklichkeit genau anders herum? Geheime Unterlagen des Konzerns zeigen, dass hinter den öffentlichen Verlautbarungen ein ganz anderer Plan steckt.

Wie leicht man sich doch blenden lässt ... Da verkündet dm-Chef Christoph Werner, dass sein Konzern künftig auch die wichtigsten Marken aus der Apotheke verkaufen will. Die Wirtschaftspresse jubelt, die Branche gerät in Schnappatmung. Vom „Endgegner“ ist gar die Rede – ein Prädikat, das bislang Amazon vorbehalten war.

Aber Moment mal. Ergibt das Ganze überhaupt Sinn? Ist die Gründung einer Versandapotheke nicht längst aus der Zeit gefallen? Noch dazu in Tschechien, wo die Möglichkeiten von vornherein beschränkt sind. Und entspricht es wirklich einem Kunden- oder gar Patientenbedürfnis, wenn man sich auf Schnelldreher beschränkt? War die Drogeriebranche nicht schon einmal mit Pick-up gescheitert? Und hatte sich Apothekenkosmetik nicht schon einmal als Ladenhüter entpuppt und musste am Ende in der Grabbelkiste verramscht werden?

So richtig Sinn ergibt die Idee nicht, wie man bei genauerem Hinsehen unschwer feststellen kann. Mit 2500 Filialen schließt man auch keine Versorgungslücken, zumal diese sich ausnahmslos, wie der Konzern selbst einräumt, „in innenstädtischen 1a- und 1b-Lagen sowie in attraktiven Fachmarktlagen“ befinden. Und all das esoterische Geplänkel von „Einkaufserlebnis“ und „emotionalem Anker“ lässt sich wohl kaum aufrechterhalten, wenn man bedenkt, in welchem Wettbewerbsverhältnis der Konzern tatsächlich steht. Oder beschränkt sich das „dm-Gefühl“ neuerdings auf Päckchen aus Tschechien?

Nein, nein, man darf Werner und seine Managerriege im Dialogicum in Karlsruhe nicht unterschätzen. Denn die Ankündigung war in Wirklichkeit nur ein Ablenkungsmanöver: Nicht dm will zur Pick-up-Apotheke werden, sondern die Apotheken sollen zu Abholstationen für dm werden! Hat sich das Drohszenario erst einmal im Bewusstsein verankert, werden sich viel leichter Pharmazeutinnen und Pharmazeuten finden, die ihre Freiwahl ausräumen, um Packstationen der Drogeriekette zu installieren.

So herum – und nur so herum! – ergibt der Vorstoß überhaupt Sinn. Mit genügend Partnerapotheken – 17.000 gibt es immerhin noch – kann der Konzern endlich eine Flächendeckung erreichen, die man als Handelskette haben muss. Denn niemand anderes als dm selbst drohte bei der Industrie ins Abseits zu geraten: Wenn ihr bald nicht deutlich mehr Filialen vorweisen könnt, gehen wir mit unseren Marken zu Netto!

Das ist also die Wahrheit hinter dem Shop-in-Shop-Konzept aus Karlsruhe. Und so wird tatsächlich auch ein Schuh daraus: Endlich können auch Kundinnen und Kunden, um deren Wohnort der Konzern bislang aus ökonomischen Gründen einen großen Bogen gemacht hat, ihr Toilettenpapier, ihren Essigreiniger und ihr Shampoo bei dm bestellen. Die Ware wird dann an die Apotheke um die Ecke geliefert; wenn sie nicht mehr in die Packstation passt, wird sie eben vorübergehend im Generalalphabet oder im Rowa eingelagert.

Ein echtes Win-Win-Win-Konzept: Der Drogeriekonzern kann den Abfluss von Ware an Discounter stoppen. Die Apotheke gewinnt Frequenz und kann sich weiter als Nahversorger positionieren. Und Kundinnen und Kunden sind nicht länger auf den Versandhandel angewiesen. Statt Apotheke light kommt Drogerie light. Wie wäre das?! Schönes Wochenende!

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