Mit dem Zusammenschluss von Gehe und Alliance Healthcare Deutschland (AHD) wurden die Karten im Pharmagroßhandel neu gemischt. Die EU-Kommission winkte den Deal durch, obwohl Apotheker und Mitbewerber vor den Folgen warnten. Doch die Behörde in Brüssel ist der Überzeugung, dass die Kunden durchaus in der Lage sind, dem neuen Branchenprimus Paroli zu bieten.
Gehe/AHD hatten in ihrem Antrag ausführlich dargelegt, warum der Zusammenschluss den Wettbewerb nicht behindert. So gebe es schon aufgrund der geringen Margen, die gesetzlich festgelegt seien, einen intensiven Wettbewerb unter den Anbietern mit dem Ziel, die vorhandenen Kapazitäten möglichst effektiv auszunutzen und Kosten zu senken. Beide Unternehmen seien nicht als besonders enge Wettbewerber anzusehen, da Großhändler zum größten Teil ähnliche Leistungen anböten.
Der Marktanteil alleine sage auch gar nichts aus über die tatsächliche Durchschlagskraft am Markt. Auch nach dem Zusammenschluss gebe es starke Wettbewerber. Hinzu komme, dass selbst einzelne Apotheken eine starke Verhandlungsposition gegenüber dem Großhandel hätten, da sie schnell und ohne zusätzliche Kosten ihre Bestellungen an einen anderen Lieferanten umleiten könnten. Unterstützt würden sie durch Berater wie Abakus, Aposanitas oder Vitaplus, die gute Marktkenntnis hätten und wüssten, was die besten Konditionen sind. Einkaufsgemeinschaften könnten aufgrund ihres Bestellvolumens ohnehin zusätzliche Rabatte verlangen.
Die EU-Kommission hat sich mit dem Marktgeschehen intensiv auseinandergesetzt und auch Wettbewerber und Apotheken zum geplanten Zusammenschluss befragt. Diese hätten zwar überwiegend angegeben, dass Gehe/AHD ihre Marktmacht deutlich ausbauen könnten. Allerdings habe es unter den Konkurrenten auch Stimmen gegeben, die darauf setzen, eine gewisse Anzahl an Kunden abwerben zu können – zumal die Apotheken sonst, wie die Kommission feststellt, ihre Lieferanten eher selten wechseln.
Entsprechend sei nicht mit steigenden, sondern mit sinkenden Preisen für die Apotheken zu rechnen. Auch was die Services angeht, etwa die Lieferfrequenz, rechnet die Kommission aus diesen Erwägungen nicht mit negativen Folgen. Absprachen der Großhändler seien angesichts der Wettbewerbsintensität ebenfalls nicht zu erwarten.
Laut Gutachten kommen Gehe und AHD nach dem Zusammenschluss auf einen vergleichbaren Marktanteil wie Phoenix. Der Branchenprimus liegt derzeit mit 28 Prozent vor der Noweda mit 22 Prozent. Auch die Sanacorp kommt laut den Wettbewerbshütern noch auf einen „beachtlichen Marktanteil“ (14 Prozent). Weitere Player sind die im Verbund Pharma Privat zusammengeschlossenen Privatgroßhändler sowie AEP mit nur einer Lieferung am Tag und Hageda-Stumpf als regionaler Anbieter im Raum München.
Allerdings räumen die Wettbewerbshüter selbst ein, dass nationale Marktanteile wenig über das Wettbewerbsgeschehen vor Ort aussagen. Daher hat sich die Kommission die Verhältnisse auf Ebene der Niederlassungen angesehen und dabei einen Radius von 2 Stunden und 14 Minuten zugrunde gelegt.
In Hamburg/Itzehoe, Rostock und Berlin kommen Gehe/AHD demnach auf Marktanteile über 35 Prozent – ab 40 Prozent wird von einer marktbeherrschenden Stellung ausgegangen.
In anderen Regionen liegt der Marktanteil unter 35 Prozent, in Osnabrück, Ludwigshafen, Frankfurt, Kassel, Saarbrücken, Bochum und Köln (Gehe) beziehungsweise Weiterstadt, Kaiserslautern, Kassel, Unna, Bonn und Duisburg (AHD) sogar unter 25 Prozent. Überall haben demgegenüber Phoenix, Noweda und Sanacorp eine erhebliche Präsenz:
Vor diesem Hintergrund lässt die Kommission die fast durchweg negativen Bewertungen des Zusammenschlusses durch die befragten Apotheken in ganz Deutschland nicht gelten – nur aus dem Raum Köln hatte keine Apotheke den Fragebogen zurückgeschickt. Die skeptische Haltung sei nicht mit den Fakten in Einklang zu bringen: Erstens gebe es kaum Hürden für Apotheken, den Lieferanten zu wechseln. Zweitens hätten Apotheken eine gewisse Nachfragemacht, da der Wettbewerb unter den Großhändlern groß sei. Drittens seien Gehe und AHD keine besonders engen Wettbewerber, da im Grund alle Großhändler ähnliche Leistungen anböten. Und viertens gebe es auch noch die Möglichkeit des Direktbezugs bei den Herstellern. Vor diesem Hintergrund bewertet Brüssel den Zusammenschluss sogar als positiv für den Wettbewerb.
Auch Randaspekte des Geschäfts hat die EU-Kommission geprüft, etwa das Angebot an Eigenmarken, das aber nicht ins Gewicht falle, oder die Aktivitäten in den Niederlanden. Hier beliefert AHD laut Gutachten diverse Apotheken, während Gehe nur eine Geschäftsbeziehung mit einer Versandapotheke habe, die wiederum nach Deutschland liefert.
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