Vor fünf Monaten waren Gehe/Celesio durch den Kauf von DocMorris mit ihren Kettenplänen für den deutschen Apothekenmarkt aus dem Schatten ins Licht der Fachöffentlichkeit getreten. Die Nachrichten von der verheerenden Resonanz der Apotheker hatten auch die Anleger an der Börse erreicht. Nun versucht der Konzern mit Hilfe der ISA-Gruppe, einem Zusammenschluss acht Gehe-treuer Apotheken, Verbraucher, Politiker und Pharmazeuten erneut auf sein Konzept zur Ausgestaltung des Apothekenmarktes einzuschwören.
Bereits seit einem Jahr wirbt der Chef des Gehe-Mutterkonzerns Celesio, Dr. Fritz Oesterle, dafür, dass in Zukunft neue Apotheken ohne vorherige Bedarfsplanung keine Zulassung beziehungsweise Kassenverträge erhalten. Im Gegenzug sollen auch Kapitalgesellschaften wie Celesio die Möglichkeit erhalten, Apotheken betreiben zu dürfen. Auf diese Weise hofft man in Stuttgart, einerseits selbst ins Geschäft zu kommen, andererseits unbequemen Mitbewerbern wie Drogerieketten oder Supermärkte die Entfaltung am Markt unmöglich zu machen.
Obwohl man sich in Stuttgart als Retter der Apothekerschaft sieht und gibt, ist das Modell bislang durchgefallen. Kritiker warnen vor dramatischen Konsequenzen, denn im Wettbewerb um Konzessionen werden nicht die unabhängigen Apotheker, sondern Konzerne wie Celesio die Nase vorne haben. Das von Gehe/Celesio zitierte britische Modell war bereits Gegenstand einer Untersuchung der britischen Wettbewerbsaufsicht, die in der Beschränkung eine Ursache für Verwerfungen am Markt sieht.
Nun soll eine Kampagne mit dem Titel „Arzneimittel aus erster Hand“ hierzulande dem Konzept neuen Aufschwung geben: Anstelle von Oesterle suggerieren Gehe und ISA, mit Hilfe der „regulierten Deregulierung“ ließe sich der - angeblich unausweichliche - Marktumbruch „fair“ gestalten. Dabei greifen Gehe-Chef André Blümel und ISA-Sprecher Dr. Werner Gajewski auf das Drohszenario von „Wild-West-Zuständen“ am Apothekenmarkt zurück, um Unterstützer zu finden: „Neue Spieler drängen in den Markt, die mit anderen Bandagen Wettbewerb betreiben“, skizzierte Blümel heute im Rahmen einer Pressekonferenz in Düsseldorf die Befürchtungen aus Konzernsicht.
Gajewski, der sich mit seinem erstmals an die breitere Öffentlichkeit getretenen Mini-Zusammenschluss als „Komplementär zu allen anderen Organisationen des Berufsstandes“ sieht, hält es für verantwortungslos gegenüber Patienten und Mitarbeitern, auf eine Liberalisierung durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) zu warten. Am Ausgang des Verfahrens lässt der Apotheker ebenso wie Blümel kaum Zweifel.
Mit ihrer Kampagne wollen Gehe und ISA nun Apotheker, Kunden und Politiker beeinflussen, um das Modell der Zulassungsbeschränkung doch noch salonfähig zu machen. Details über die geplanten Aktionen waren noch nicht zu erfahren; auf einer Internetseite können Befürworter schon einmal für das Modell zeichnen. Zweite Zielrichtung ist die Mitarbeit an der Ausgestaltung der Apothekenbetriebsordnung; hier wollen Gehe und ISA die Qualität und Kompetenz der Apotheker stärken.
Eine wichtige Zielgruppe sind für Blümel und Gajewski erklärtermaßen die Apotheker, denn ohne sie werde die Politik den Konzernplänen nicht folgen. „Wenn aber ein Apotheker seine Arbeit ernst nimmt, muss er unser Vorhaben einfach unterstützen“, gab sich Gajewski überzeugt. Während der ISA-Sprecher also an kollegiale Instinkte appellierte, ging Gehe-Chef Blümel in seiner Präsentation bereits einen Schritt weiter: „Unser Horizont endet nicht bei den Apothekern, wir denken bis zum Endkunden“, ließ Blümel keinen Zweifel an der Schlagrichtung der Kampagne - und an der Ausrichtung des Konzerns.
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