Großhandel

Gehe: Noch eine Woche bis Alliance Patrick Hollstein, 22.10.2020 15:31 Uhr

Abschied von der blauen Wanne: Die Tage von Gehe sind gezählt. Foto: Gehe
Berlin - 

In der kommenden Woche treten Gehe und Alliance Healthcare Deutschland (AHD) voraussichtlich zum letzten Mal als Wettbewerber auf. Am 1. November soll der seit einem Jahr vorbereitete Zusammenschluss engültig vollzogen werden. Details gibt es immer noch nicht.

So viel Geheimhaltung bis zum Schluss gibt es vermutlich selten bei Zusammenschlüssen. Kurz vor Weihnachten hatten die US-Mutterkonzerne McKesson und Walgreens Boots Alliance (WBA) die Fusion ihrer deutschen Aktivitäten bekannt gegeben. Wenige Tage zuvor waren am 11. Dezember in den Räumen der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer die entsprechenden Verträge unterschrieben worden, nach denen Gehe in AHD eingebracht werden und McKesson im Gegenzug 30 Prozent der Anteile erhalten soll.

Doch obwohl EU-Kommission und Bundeskartellamt schon im August grünes Licht gaben, ging die Sache seitdem nicht voran. Anfang September sollten den Mitarbeitern eigentlich erste Informationen gegeben werden, doch bei einem Town Hall Meeting wurde die Belegschaft auf Oktober vertröstet. Dann wurde der Deal noch einmal um einen Monat verschoben. Nun gilt der 1. November als gesetzt.

Unter welchem Namen und wessen Führung das Gemeinschaftsunternehmen auftreten soll, wurde bislang genauso wenig verraten wie Details dazu, wo es seinen Hauptsitz haben wird und welche Vertriebszentren oder Arbeitsplätze dem Rotstift zum Opfer fallen sollen. Gelegentlich heißt es, dass beide Firmen weiter parallel laufen sollen: Saturn und MediaMarkt werden dann als Beispiele genannt.

Die Hängepartie sorgt vor allem deswegen für Verunsicherung, weil es ein offenes Geheimnis ist, dass es eine Schließungswelle geben wird. Gemeinsam verfügen AHD und Gehe über 42 Standorte, davon gehören Gehe 17 und AHD 25. Einige Häuser liegen nur wenige Kilometer auseinander. Phoenix unterhält bei höherem Marktanteil weniger als halb so viele Vertriebszentren.

Beide Partner haben bereits erklärt, dass mit dem Joint Venture die Wettbewerbsfähigkeit des Geschäfts gestärkt werden soll: Neben der Qualität stünden vor allem effiziente Liefermöglichkeiten und „Skaleneffekte im deutschen Pharmagroßhandel“ im Vordergrund, hieß es. Schon vor der Ankündigung der Fusion hatten bei AHD Projektteams Kundenzahlen und Deckungsbeiträge, Touren und Verkehrsdaten analysiert. Bereits Anfang 2019 wurde im Zusammenhang mit dem öffentlich angekündigten Sparprogramm kolportiert, dass drei bis fünf Niederlassungen geschlossen werden könnten.

Sowohl Gehe als auch AHD wurden in den vergangenen Jahren immer neuen Sparrunden unterzogen; an der negativen Ertragslage geändert haben diese nichts. Vor allem an der ehemaligen Anzag wurde seit der Übernahme immer wieder herumgedoktert, stets mit dem Ziel, Profite zu generieren und abzuführen: Servicecenter wurden geschlossen, die Zentrale verkauft, Abteilungen aufgelöst. In der Summe fielen so seit 2010 knapp 400 Vollzeitstellen weg, immerhin ein Fünftel der Belegschaft.

Dass es im deutschen Großhandel weitere Veränderungen geben würde, ist seit Jahren ein Thema. Immer wieder gab es Spekulationen, die sich vor allem um die beiden US-Konzerne rankten. McKesson hatte Celesio 2014 im zweiten Anlauf übernommen, im selben Jahr übernahm Walgreens den britischen Pharmahändler Alliance Boots, was de facto aber eine inverse Übernahme war.

Es ist kein Geheimnis, dass beide Konzerne alles andere als zufrieden mit der Geschäftsentwicklung und Ertragslage sind. Rabattschlachten und Hochpreiser drücken auf die Marge. Die Honorarumstellung des Jahres 2011, die eigentlich ein gesundes Auskommen ermöglichen sollte, hat alles nur schlimmer gemacht. Ein Rückzug vom deutschen Markt ist keine Option: Immerhin geht es um einen Schlüsselmarkt in Europa. Vor zwei Jahren gab es Gerüchte, dass Walgreens-CEO Stefano Pessina bereit wäre, Alliance in Deutschland an McKesson abzugeben, wenn er dafür Phoenix als Ganzes bekommen könnte.

Aktuell kommt Phoenix auf einen Marktanteil von rund 28 Prozent, dahinter rangiert Noweda mit 22 Prozent. Die Genossenschaft aus Essen hatte durch die Zukäufe der Privatgroßhändler Kapferer und Ebert+Jacobi ihre Stellung deutlich ausgebaut. Dahinter rangiert Gehe mit etwas mehr als 15 Prozent; hinter der Sanacorp folgt AHD mit rund 13 Prozent. Den Rest des Marktes teilen sich die Privatgroßhändler Kehr, Max Jenne, Otto Geilenkirchen, Fiebig und Krieger sowie die auf Phoenix zurückgehende Hageda-Stumpf aus München und AEP.