Gehe fordert Ende des Papierrezepts APOTHEKE ADHOC, 01.11.2019 14:14 Uhr
Gehe fordert von der Politik Nachbesserungen bei den gesetzlichen Regelungen zum E-Rezept. In einem Whitepaper hat der Großhändler sechs zentrale Forderungen an den Gesetzgeber formuliert, die seiner Ansicht nach erfüllt sein müssen, damit die Digitalisierung des Apothekenmarkts zu einem Erfolg wird. Teil der Forderungen: Der Gesetzgeber soll festlegen, wie lange Papier- und E-Rezept noch parallel angewendet werden können. Außerdem sollen Kunden einen Anspruch auf Lieferung durch den Botendienst haben.
Das Papier soll wohl eher als Empfehlung denn als Kritik am aktuellen Regierungskurs aufgefasst werden – denn grundsätzlich ist der Großhändler auf Linie: „Gehe begrüßt ausdrücklich die Digitalisierung im Gesundheitswesen“, heißt es einleitend. „Die Vorteile für den Patienten, wie genauere Diagnosen, schnellere Behandlung, Vermeidung von Mehrfachuntersuchungen beziehungsweise Fehlbehandlung, Verhinderung von Wechselwirkungen von Arzneimitteln, liegen auf der Hand.“ Hinzu sei es auch finanziell eine Chance für das Land: Eine McKinsey-Studie aus dem vergangenen Jahr sehe ein Einsparpotential von 34 Milliarden Euro pro Jahr.
Damit diese Einsparungen nicht zulasten der Patienten gehen, müsse aber an einigen Stellen nachjustiert werden. „Damit davon Patienten und Vor-Ort-Apotheken gleichermaßen profitieren, fordern wir die Politik auf, sechs zentrale Forderungen umzusetzen“, so Gehe-Chef Dr. Peter Schreiner.
Zuallererst steht dabei das E-Rezept. Auch dessen Einführung begrüße der Großhändler ausdrücklich. Dabei sei es jedoch von besonderer Bedeutung, die freie Apothekenwahl sicherzustellen. „Die Patientensouveränität muss auch in der digitalen Versorgungswelt gesichert sein“, so das Whitepaper. Das bedeute insbesondere, dass alle Versuche einer Steuerung von Patienten oder von E-Rezepten vonseiten einzelner Leistungserbringer oder -träger gesetzlich unterbunden werden.
Dazu gehöre auch, dass eine berufs- oder gewerbsmäßige Zuweisung des E-Rezeptes gesetzlich verboten sein müsse. „Um eine Kommerzialisierung des E-Rezeptes zu vermeiden, müssen Patienten jederzeit die Wahlfreiheit haben, in welcher Apotheke sie ihr E-Rezept einlösen wollen.“ Nur so könne verhindert werden, dass „Ärzte, Apotheker, Krankenkasse oder private Wirtschaftsunternehmen Geschäftsmodelle entwickeln, mit denen Patienten zu bestimmten Leistungserbringern gelenkt oder Rezepte gesteuert werden“.
Dabei sieht Gehe auch die Gematik in der Pflicht: Sie müsse die notwendigen technischen Vorgaben an Hand der gesetzlichen Vorschriften für alle elektronischen Rezepte einheitlich definieren. Der Großhändler geht aber noch weiter und fordert, dass der Gesetzgeber ein Ende des bisherigen Rezepts festschreibt. Es brauche einen „definierten Übergangszeitraum für ein paralleles Nebeneinander von digitalen und analogen Verordnungen“, so Gehe. Bisher ist nicht gesetzlich geregelt, wie lange Papierrezepte und elektronische Verordnungen nebeneinander angewendet werden sollen – theoretisch kann das unbegrenzt lange der Fall sein.
Wahrscheinlich mit Blick auf den derzeitigen Wildwuchs an Modellprojekten und E-Rezept-Apps sollen Gematik und Gesetzgeber auch darauf achten, dass hohe Anforderungen an Standardisierung und Interoperabilität gewährleistet sind. Das ist die zweite Forderung. „Durch Wettbewerb werden innovative Lösungen hervorgebracht, die auf einen größtmöglichen Nutzen für den Patienten abzielen. Dabei muss der Patient jederzeit selbst entscheiden dürfen, welche digitalen Angebote er nutzt.“
Nur so könne verhindert werden, dass sich Insellösungen verfestigen, die fachgebiets- und sektorenübergreifende Versorgungsprozesse behindern. Es müsse gesetzlich sichergestellt werden, dass marktoffene Modelle mit standardisierten Übertragungswegen und offenen Schnittstellen geschaffen werden. „Der Patient muss die freie Wahl haben, welcher Apotheke er das E-Rezept übermittelt und auf welchem sicheren digitalen Weg er es übermittelt.“
Mit der Wahlfreiheit des Patienten argumentiert Gehe auch in seiner dritten Forderung: „Datenschutz darf nicht über dem Patientenwohl stehen“. Stattdessen solle sichergestellt werden, dass Patienten jederzeit selbst entscheiden können, welche persönlichen Gesundheitsdaten sie wem zur Verfügung stellen. Dazu müsse der Gesetzgeber auch regeln, unter welchen Bedingungen Daten für den medizinischen Fortschritt genutzt werden dürfen.
In seiner vierten Forderung greift Gehe die Neuregelung des Botendienstes auf: Im Rahmen der Sicherstellung einer hohen Qualität der Arzneimitteldistribution müsse der Botendienst auf Kundenwunsch generell durch Personal der Apotheke durchgeführt werden. Dabei müsse eine Beratung zu ausgelieferten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch bereits im Vorfeld der Auslieferung durch eine Vor-Ort- Apotheke telefonisch oder über andere digitale Kommunikationswege möglich sein.
Aber auch mit Blick auf die Ausbildung von Apothekern, PTA und PKA fordert Gehe Veränderungen: Damit die adäquat auf die neuen Informationstechnologien im Gesundheits- und Apothekenwesen vorbereitet sind, müssten bereits während der Ausbildung beziehungsweise des Studiums die Grundlagen hierfür vermittelt werden. Dazu müssten demnach die Lehrpläne innerhalb der Approbationsordnung für die Ausbildung von Apothekern, die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (APrVPTA) für PTA und die Berufsbildungsordnung für PKA entsprechend angepasst und in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden.
Zuletzt redet Gehe der Bundesregierung beim Thema Breitbandausbau ins Gewissen. Es müsse, so die sechste Forderung, gesetzlich geregelt werden, dass der bereits vor 2025 flächendeckend erfolgt. „Glasfaserleitungen sowie der zukünftige mobile Standard 5G müssen in Deutschland bundesweit Standard werden.“
Dabei denkt Gehe auch ans eigene Geld: Es müsse sichergestellt werden, dass vollversorgende pharmazeutische Großhändler den Aufwand zur Umsetzung der Vorgaben aus dem IT-Sicherheitsgesetz und der BSI-KRITIS-Verordnung erstattet bekommen