Seit zwei Jahren bietet die App „Digitale Hausapotheke“ einen Medikationsplan zur Steuerung der Arzneimittelmitteleinnahme an. Über 40.000 Patienten nutzen nach Angaben der Firma Ligari die App für ihre Medikation. Hinter dem harmlos klingenden Namen verbirgt sich allerdings ein Geschäftsmodell: Über die App können die Arzneimittelhersteller direkt auf die Patienten einwirken – gegen Bezahlung. Die Patienten werden vor der Nutzung der „Digitalen Hausapotheke“ aber nicht über die geschäftlichen Interessen aufgeklärt.
Die App kommt in der Firmenwerbung daher wie eine praktische Alltagshilfe für die Nutzer: „Die digitale Hausapotheke mit Medikationsplan hilft Ihnen ihren Medikamentenbestand einfach, übersichtlich und effektiv zu verwalten. Außerdem haben Sie immer im Blick, welche Arzneimitteleinnahme gerade ansteht, was Sie bereits eingenommen haben, welche Medikamente zur Neige gehen oder bald ablaufen. Meine Medikamente. Auf einen Blick. Jederzeit, an jedem Ort“, so die Werbung auf der Firmen-Internetseite. Per Push-Nachricht informiert die App ihre Nutzer beispielsweise über den Zeitpunkt der Einnahme.
Nach dem Download werden die Nutzer der App zunächst gebeten, ihre Arzneimittel einzuscannen. „Mit dem Scan legitimiert der Patient die Hersteller zur Kommunikation“, erläutert Geschäftsführer Thomas Pfannemüller. Darüber werde der Nutzer aber nicht ausdrücklich hingewiesen, räumt er ein. Die Hersteller bezahlen für den direkten Draht zum Patienten laut Pfannemüller unterschiedlich hohe Beträge – verraten will er sie nicht. So läuft das Geschäftsmodell.
Ziel der Hersteller sei, auf diese Weise die Therapietreue der Patienten zu verbessern, beteuert Pfannemüller. Vermeiden wollten die Hersteller auf diesem Weg, dass wegen fehlerhafter Anwendung der Arzneimittel das Therapieziel verfehlt werde und der Arzt beim nächsten Besuch dem Patienten möglicherweise deswegen ein anderes Arzneimittel verordne. Nach dem Scan erhalte der Patient vom Hersteller daher Hinweise über die korrekte Anwendung seiner Produkte. Das können Videos über die korrekte Anwendung sein, aber auch weitergehende Informationen und neue Erkenntnisse. „Im Beipackzettel steht in der Regel, was passiert, wenn der Patient das verordnete Arzneimittel einnimmt“, so Pfannemüller. Über die App könnten Hersteller aber auch Informationen liefern, was bei Nichteinnahme passieren könne.
Aus Sicht von Pfannemüller ist das vor allem bei „komplexen Therapien“ ein sinnvoller Weg, die Therapietreue der Patienten zu verbessern. Ligari arbeitet über die „Digitale Hausapotheke“ unter anderen mit Herstellern wie Pfizer, Bayer, UCD und Abbvie zusammen. „In der pharmazeutischen Industrie ist das Thema Patientenkommunikation mittlerweile sehr stark im Fokus. Dazu gibt es in den verschiedenen Unternehmen unterschiedliche Projekte mit Bezeichnungen wie ‚Patient Centricity, Patient im Fokus oder Patient First‘, um nur einige davon zu nennen. Wir glauben, mit dieser App und dem damit verbundenen möglichen direkten Kontakt zwischen Herstellern und Patienten, welcher in dieser Form auch durch das HWG gedeckt ist, können wir einen sehr guten Beitrag zum Erfolg dieser Projekte leisten“, betont Pfannemüller. Damit hätten die Unternehmen erstmals die Möglichkeit mit den Patienten „direkter zu kommunizieren und diese zielgerichtet zu informieren“.
In der App können die Nutzer auch ihren Hausarzt und ihre Stammapotheke angeben. Das hat allerdings keinen Service-Charakter. Mit beiden ist über die App keine Kommunikation möglich. Arzt und Apotheke können die Nutzer den gespeicherten Medikationsplan nur auf dem persönlichen Smartphone einsehen lassen. Eintragen muss der App-Nutzer die vom Arzt vorgegebenen Medikationsangaben persönlich – Fehler nicht ausgeschlossen. Bei einigen, wenigen Arzneimitteln wird laut Pfannemüller die vom Hersteller empfohlene Einnahme automatisch via Scan in den Medikationsplan übertragen.
Das ist aber noch nicht alles: Neben den Herstellerinformationen erhalten die App-Nutzer ungefragt Gesundheitstipps und Nachrichten vom Deutschen Gesundheitsportal. „Neben aktuellen Zusammenfassungen internationaler Studien erhalten Sie auf der Website www.DeutschesGesundheitsPortal.de und in dem wöchentlichen E-Mail-Service Nachrichten zu unterschiedlichsten Gesundheitsthemen, die wir täglich von Forschungsinstituten, Gesundheitsbehörden und forschenden Kliniken recherchieren“, wirbt das Unternehmen von Günter Beisel. „Gute Blutversorgung ist gut für´s Gedächtnis“, heißt es dort beispielsweise oder „Führt Fettleibigkeit zu Alzheimer?“. Laut Pfannemüller handelt es hier um eine Partnerschaft, bei der kein Geld fließt.
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