Die Gasversorgung ist für die chemische und pharmazeutische Industrie der Knackpunkt schlechthin. Erste Daten für dieses Jahr vermiesen die Stimmung in der Branche und lassen nichts Gutes für die Zukunft ahnen. Das könnten noch dieses Jahr Arbeitnehmer zu spüren bekommen.
Die stark gasabhängige Chemie- und Pharmabranche im Südwesten rechnet nach Umsatzrückgängen in Folge des Ukraine-Krieges mit keiner raschen Besserung. „Die große Mehrzahl der Unternehmen erwartet nicht, dass sich die nächsten Monate besser entwickeln als das schwache erste Halbjahr”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Chemie Baden-Württemberg, Björn Sucher, am Donnerstag in Baden-Baden.
Laut einer Blitzumfrage fürchteten knapp 60 Prozent der Unternehmen, bei einer Abschaltung von Gaslieferungen ihre Produktion drosseln zu müssen. 30 Prozent erwarteten ohne Gas einen kompletten Stillstand.
Sucher zeichnete ein düsteres Bild: „Die wirtschaftlichen und die wirtschaftspolitischen Folgen wären katastrophal und endgültig.” Schließung von Betrieben, Abwanderung von Produktionen und ganzen Unternehmen, listete er auf. Arbeitsplätze und Ausbildungsstellen gingen verloren. „Das kann nicht im Interesse des Industriestandortes Baden-Württemberg und des Industriestandortes Deutschland sein.”
Im ersten Halbjahr sind die Umsätze der großen Chemie- und Pharmaunternehmen in Baden-Württemberg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Prozent auf 13,2 Milliarden Euro gesunken. Das geht nach Angaben des Verbands Chemie.BW vor allem auf Rückgänge beim Auslandsgeschäft zurück. Grundlage seien Daten des Statistischen Landesamtes, das Betriebe mit über 50 Beschäftigten berücksichtigt. Demnach lag der Jahresumsatz 2021 bei rund 25,7 Milliarden Euro.
Chemie.BW selbst bezieht auch kleinere Firmen mit ein, definiert die Branche etwas breiter und kam vergangenes Jahr so auf einen Umsatz von rund 46 Milliarden Euro. In den Verbänden der chemischen und pharmazeutischen Industrie im Südwesten waren demnach 480 Mitgliedsunternehmen mit 108 000 Beschäftigten organisiert.
Aus Sicht von Winfried Golla, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie Baden-Württemberg, zeigen die aktuellen Zahlen, „dass wir in Baden-Württemberg leider Konjunktur-Vorläufer sind”. Er betonte: „Hier schlagen die schwierige Situation auf den Weltmärkten wie auch die extremen Rohstoff- und Energiepreissteigerungen schon voll durch.” Insbesondere die Mittelständler könnten die gestiegenen Kosten allerdings nur sehr eingeschränkt weitergeben. Gefordert sei die Politik, sagte Golla. „Es geht dabei nicht nur darum, Gas zur Verfügung zu haben für die Unternehmen.” Es gehe auch darum, die Energiekosten wieder auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. „Denn obwohl wir derzeit noch keine Gasmangellage haben, müssen die Unternehmen mit extremen Kostensteigerungen klarkommen.” Golla betonte: „jede, wirklich jede Kilowattstunde zählt.” Die zentrale Botschaft laute: „Ohne Chemie steht die Industrie.” Die andauernde Unsicherheit ist für Arbeitgeber-Vertreter Sucher ein Grund, in der Chemie-Tarifrunde weiter Investitionen dem Verteilen voranzustellen. Die Verhandlungen werden im Oktober fortgesetzt.
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