Phytopharmaka

Galgenfrist für Drogerie-Ginkgo

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Berlin -

Im Streit um Ginkgo-haltige Nahrungsergänzungsmittel zeichnet sich eine überraschende Wende ab. Dr. Willmar Schwabe und Klosterfrau haben sich auf einen Vergleich geeinigt: Noch bis zum Jahresende dürfen entsprechende Produkte abverkauft werden. Danach könnte Ginkgo wieder exklusiv in der Apotheke erhältlich sein.

Das Oberlandesgerichts Hamm (OLG) hatte im Herbst entschieden, dass das Präparat „Klosterfrau Ginkgo Plus“ als Nahrungsergänzungsmittel nicht verkehrsfähig ist. Der Extrakt mit 100 mg Ginkgo habe eine pharmakologische Wirkung, so die Begründung. Daher wurde dem Kölner Hersteller untersagt, das Produkt weiter ohne Zulassung in Verkehr zu bringen und zu bewerben.

Schwabe hatte vor wenigen Wochen damit begonnen, das Urteil vollstrecken zu lassen. Händler wie dm nahmen das Produkt aus den Regalen. Auch auf der Webseite von Klosterfrau war das Ginkgo-Produkt nicht mehr zu finden. Der Hersteller kündigte aber an, die Sache vor dem Bundesgerichtshof (BGH) klären zu lassen, und legte Revision ein.

Nun haben sich die beiden Konkurrenten außergerichtlich geeinigt. Klosterfrau nimmt das Rechtsmittel zurück, im Gegenzug verzichtet Schwabe bis Ende des Jahres auf die Vollstreckung. Bis dahin dürfen Klosterfrau beziehungsweise der Einzelhandel bereits im Handel befindliche Nahrungsergänzungsmittel mit 100 mg Ginkgo-Extrakt in eigener Verantwortung abverkaufen.

Schwabe spricht von einem „weiteren Meilenstein für die Apothekenpflicht von Ginkgo-Präparaten“. Der Tebonin-Hersteller verweist auf ein weiteres Urteil des Verwaltungsgerichts Köln, das 2015 ein vergleichbares Ginkgo-Produkt als zulassungspflichtiges Medikament eingestuft hatte. Auf Antrag der Bezirksregierung Köln hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) drei Jahre zuvor einen entsprechenden Bescheid erlassen, gegen den der Hersteller geklagt hatte.

Durch den Vergleich wird auch dieses Urteil rechtskräftig. Mit der zivil- und der verwaltungsrechtlichen Entscheidung liegt laut Schwabe eine gefestigte Rechtsprechung vor, die Grundlage für das Tätigwerden der Aufsichtsbehörden auch im Zusammenhang mit anderen Präparaten sein sollte. Der Vertrieb von apothekenpflichtigen Arzneimitteln ohne Zulassung sei keine Ordnungswidrigkeit, sondern erfülle einen Straftatbestand. „Kunden und Patienten erhalten dadurch ein wichtiges Signal, dass wirksame und sichere Phyto-Präparate ausschließlich in der Apotheke erhältlich sind.“

Der Streit zwischen Schwabe und Klosterfrau zog sich seit 2008; überhaupt führte der Phytoexperte aus Karlsruhe seit Jahren verschiedene Verfahren gegen die Anbieter von frei verkäuflichen Ginkgo-Produkten. Der Erfolg war bislang überschaubar. Weil sich die Bedeutung der pharmakologischen Wirkung bei den Gerichten in einem langwierigen Prozess erst einmal habe durchsetzen müsse, habe man parallel andere Argumentationen verfolgt, sagt eine Schwabe-Sprecherin. Wegen der komplexen Abhängigkeiten habe nicht jede einzelne Entscheidung vollstreckt werden können. Stattdessen sei eine Vielzahl an Ginkgo-Nahrungsergänzungsmitteln auf dem Markt verblieben.

Schwabe hatte Tebonin 1965 auf den Markt gebracht; schon in den 1950er Jahren hatte das Familienunternehmen begonnen, die damals in der Heilkunde völlig unbekannte Pflanze aus China wissenschaftlich zu untersuchen. Während Ärzte die durchblutungsfördernde Wirkung erforschten, suchten die Technologen nach einem Verfahren, um einen möglichst verträglichen Auszug zu gewinnen.

Seit das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eine Monographie zu der Arzneidroge verabschiedet hat, können alle Hersteller, die dieselben Pflanzenarten und -teile verwenden und sich bei der Extraktion an die Vorgaben halten, sich bei ihrem Zulassungsantrag auf den Standard beziehen. Da parallel auch verschiedene Patente zum Extraktionsverfahren abgelaufen sind, ist das Original faktisch nicht mehr geschützt. Auf dieser Grundlage konnten Aliud und Stada, Heumann sowie Queisser unter seiner Apothekenmarke Doppelherz System entsprechende Varianten auf den Markt bringen.

Von den zuletzt 195 Millionen Euro Umsatz auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) entfallen 46 Prozent auf Tebonin. Neben den Varianten mit 40, 80 und 120 mg gibt es seit 2008 „Tebonin konzent“ mit 240 mg und seit 2013 „Tebonin 120 mg bei Ohrgeräuschen“. Laut Insight Health ist Tebonin die Nummer 2 unter den OTC-Produkten im Versandhandel; fast ein Viertel des Umsatzes entfällt bei dem Schwabe-Produkt auf diesen Vertriebskanal.

Gingium (Hexal) kommt auf 31 Prozent, Ginkobil Ratiopharm auf 16 Prozent und Ginkgo-Maren (Krewel Meuselbach) auf 3 Prozent. Der Rest verteilt sich auf Produkte wie Binko (Neuraxpharm), Gingiloba (1A), Ginkgo Sandoz, Kaveri (Klosterfrau) und die Schwabe-Zweitmarken Rökan und Craton.

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