Fresenius kommt bei Umbau voran Philipp Kutter, 02.11.2023 15:10 Uhr
Der Fresenius-Konzern kommt bei seinem Umbau voran. Umsatz und Betriebsergebnis stiegen im dritten Quartal, wie das angeschlagene Dax -Unternehmen am Donnerstag in Bad Homburg berichtete. Dabei verdienten Deutschlands größte Klinikgesellschaft Helios und die auf Nachahmermedikamente spezialisierte Tochter Kabi mehr als vor einem Jahr. Das Management hob seinen Ergebnisausblick an. Eine Entscheidung, ob Fresenius wegen staatlicher Energiehilfen auf Dividenden verzichten muss, steht unterdessen aus. An der Börse ging es für die Aktie kräftig nach oben, obwohl der Konzern wegen eines Bewertungseffekts unter dem Strich in die roten Zahlen rutschte.
Fresenius steckt in der Zwickmühle wegen hoher Energiehilfen der Bundesregierung für Kliniken. Der Konzern hatte bis Ende September knapp 160 Millionen Euro vom Staat bekommen, wovon laut Unternehmen rund die Hälfte ergebniswirksam ist. Durch die Annahme der Gelder ist ein gesetzlicher Schwellenwert überschritten, womit für dieses Jahr keine Boni an Manager und Dividenden an Aktionäre gezahlt werden dürfen. Grundsätzlich kann das Geld auch zurückgezahlt werden. Das Gesetz werde geprüft – auch auf seine Verfassungskonformität, sagte Fresenius-Chef Sen vor Journalisten.
Dabei deutete der Manager auch die Möglichkeit eines Dividendenverzichts an, ohne konkret zu werden. „Nicht alle unsere Anteilseigner sind dividendenorientiert.“ Aktuell liefen parallel zu den juristischen Prüfungen auch Gespräche der Else Kröner-Fresenius-Stiftung, sagte Sen.
Die Stiftung ist mit einem Anteil von rund 27 Prozent die größte Aktionärin bei Fresenius und damit zugleich wohl auch die größte Profiteurin der über viele Jahre regelmäßig gestiegenen Dividenden des Konzerns. Die Stiftung sei noch zu keiner Entscheidung gekommen, so Sen. Seiner Einschätzung nach dürfte aber auch die Großaktionärin mögliche „Nebenwirkungen“ der Energiehilfen mittragen.
Analysten konzentrierten sich unterdessen am Donnerstag mehr auf die Fortschritte des Konzerns im Tagesgeschäft. Nach Jahren sinkender Ergebnisse habe das Management das Ruder herumgerissen und steigere sie wieder – zumindest auf währungsbereinigter Basis, kommentierte etwa Experte Graham Doyle von der Schweizer Bank UBS den Quartalsbericht.
Auch an der Börse fanden die Zahlen Anklang: Das Papier gehörte zuletzt mit einem Kursplus von mehr als fünf Prozent auf 25,56 Euro zu den größten Gewinnern im Dax.
Im dritten Quartal stieg der Konzernumsatz im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozent auf gut 5,5 Milliarden Euro. Im Klinikgeschäft profitierte Fresenius von den wieder steigenden Patientenzahlen, aber auch von den Energiehilfen. Bei der Tochter Kabi lief vor allem das Geschäft mit flüssigen Arzneien wie etwa klinischer Ernährung rund, negative Wechselkurse fraßen dort jedoch das Umsatzplus wieder auf.
Unterdessen kommt der Konzern mit seinem Sparprogramm besser voran als gedacht – die für das laufende Jahr eingeplanten Einsparungen seien bereits erreicht, hieß es. Fresenius optimiert unter anderem Prozesse und Organisationsstrukturen im Einkauf und der Produktion. Beim Dialyseanbieter Fresenius Medical Care werden darüber hinaus viele Häuser geschlossen und fallen tausende Stellen weg.
Auch beim Klinikdienstleister Vamed zahlte sich der eingeläutete Umbau aus: Das österreichische Unternehmen schaffte früher als vom Management zuvor angenommen bereits im dritten Quartal operativ die Wende und wies erstmals wieder ein positives Betriebsergebnis aus. Vamed stellte dazu unter anderem Geschäfte ein.
Somit kletterte konzernweit das um Wechselkurs- und Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Steuern und Zinsen um acht Prozent auf 519 Millionen Euro – es fiel damit besser aus als von Finanzexperten erwartet. Gemäß der neuen Prognose soll diese Kennziffer aufs Gesamtjahr gesehen in etwa stabil bleiben. Zuvor hatte der Konzern im schlimmsten Fall auch einen Rückgang im mittleren einstelligen Prozentbereich beim Betriebsergebnis für 2023 nicht ausgeschlossen.
Unterm Strich schlitterte Fresenius in den drei Monaten von Juli bis September wegen Wertberichtigungen bei der Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) ins Minus mit 406 Millionen Euro – nach plus 321 Millionen Euro vor einem Jahr.
Vor allem FMC war in der Pandemie in die Krise gerutscht und löste mehrere Gewinnwarnungen beim Mutterkonzern aus. Damit das nicht mehr passiert, will Fresenius den Blutwäschespezialisten nicht mehr voll in der Bilanz berücksichtigen, sondern nur als Finanzbeteiligung ausweisen – entsprechend dem Fresenius-Anteil von gut einem Drittel. Der Schritt soll im Dezember wirksam werden, hieß es nun. Bereits zum dritten Quartal wies Fresenius FMC erstmals separat aus.
Der Dialyseanbieter hatte bereits am Vorabend seine Quartalszahlen veröffentlicht. Auch FMC blickt nun positiver auf die Gewinnentwicklung 2023. Im dritten Quartal sank der Umsatz jedoch um 3 Prozent. Unter dem Strich sackte das Ergebnis um fast zwei Drittel auf 84 Millionen Euro ab.
Fresenius-Chef Sen konzentriert sich beim Umbau auf die Klinikkette Helios und die Arznei-Sparte Kabi. FMC und den Klinik-Dienstleister Vamed sieht er nur noch als Finanzbeteiligungen. Randgeschäfte sollen verkauft werden, um die hohe Verschuldung zu senken. Jüngst hatte Fresenius verkündet, aus dem peruanischen Klinikmarkt auszusteigen. Weitere Verkäufe dürften „zeitnah“ folgen, deutete Sen nun am Donnerstag an.