Arzneimittel aus der Quelle Carolin Bauer, 27.01.2016 12:38 Uhr
Der Standardtext zur Risiken und Nebenwirkungen muss auf Arzneimittelpackungen stehen. Die Angabe befindet sich in modifizierter Form aber auch auf Heilwasser. Wegen ihrer Wirkversprechen müssen die Getränke vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen werden. Früher standen die Flaschen noch öfter in den Regalen von Apotheken. Doch vor allem die Logistik spricht gegen den Vertriebsweg.
Heilwasser ist mit Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes (AMG) im Jahr 1978 zulassungspflichtig geworden. Damals auf dem Markt befindliche Produkte mussten daher durch die Nachzulassung. Die Getränke gelten wegen ihrer Wirkversprechen als Funktionsarzneimittel, sind aber von der Apothekenpflicht ausgenommen. Auf den Flaschen steht die Angabe „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie das Etikett und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ stehen.
Das Segment war zuletzt eingestaubt; 2014 verzeichnete Heilwasser erstmals wieder leichtes Wachstum: Der Umsatz stieg laut Angaben von Nielsen auf rund 51,2 Millionen Euro (plus 1 Prozent). Pro Jahr werden rund 81 Millionen Liter verkauft. Der Anteil gemessen am gesamten Mineralwassermarkt ist jedoch gering: Lediglich 0,7 Prozent entfallen auf Heilwasser.
Laut BfArM gibt es aktuell 55 zugelassene Heilwasser. Erhältlich sind derzeit knapp 40 verschiedene Marken. Gerolsteiner hat Anfang Januar ein neues Heilwasser auf den Markt gebracht und hofft, neuen Schwung erzeugen zu können. Das rheinland-pfälzische Unternehmen will mit dem „Gerolsteiner Heilwasser“ eine jüngere, gesundheitsbewusste Zielgruppe ansprechen.
Heilwasser erlebe derzeit einen neuen Aufschwung, sagt eine Firmensprecherin. Der Absatz sei jahrelang rückläufig gewesen. Mit dem Trend hin zu Naturheilmitteln hätten Verbraucher die Produkte wieder entdeckt. Die Firma hat seit 1979 das Heilwasser St. Gero im Sortiment. Das Produkt habe eine treue Verwenderschaft, die im Seniorenalter liege. Die Kernabsatzmärkte liegen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
Marktführer ist Staatlich Fachingen. Das Traditionsunternehmen aus Rheinland-Pfalz gehört zur Getränkegruppe Hövelmann und bietet seit 1742 Heilwasser an. Das Produkt soll die Funktion von Magen und Darm anregen und bei Sodbrennen helfen. Laut Firmenangaben fördert es die Harnausscheidung bei Harnwegserkrankungen, beugt Harnsäure- und Calciumoxalatsteinen vor und unterstützt die Behandlung chronischer Harnwegsinfektionen. Diese Auslobungen dürften beim Mineralwasser, das aus der gleichen Quelle stamme, nicht angegeben werden, sagt Marketingleiter Norbert Hofschulte.
Hinter dem Platzhirsch rangiert Hirschquelle Heilwasser aus Bad Teinach-Zavelstein im Schwarzwald. Auf dem dritten Platz liegt Adelholzener Heilwasser aus der Primus-Quelle in Bad Adelholzen. St. Gero belegt Rang 4. Viele Produkte werden nur regional vertrieben.
Nur wenige Apotheken bieten noch Heilwasser an. Die Produkte werden vor allem über Getränkeabholmärkte sowie den Lebensmitteleinzelhandel verkauft. „Den Vertriebsweg Apotheke bearbeiten wir nicht“, so Hofschulte. Logistisch sei dieser Kanal unrentabel, da keine großen Mengen verkauft werden könnten.
Das Angebot von Getränkekästen in der Apotheke sei unrealistisch, da ein Pfand erhoben und die leeren Flaschen zurückgenommen werden müssten, sagt er. Denn Heilwasser werde aus qualitativen Gründen in Glasflasschen abgefüllt. PET-Behälter seien ungeeignet.
Der Safthersteller Rabenhorst räumt den Apotheken beim Verkauf von Rotbäckchen ein, die Flaschen ohne Pfand zu verkaufen. Das System wurde Anfang 2008 umgestellt. Für Apotheken entfallen dadurch laut Firmenangaben die umständliche Handhabung in Folge von Pfandberechnung und Rücknahme der Flaschen. Auch im Lebensmitteleinzelhandel und in den Drogeriemärkten wird kein Geld für das Leergut verrechnet. Reformhäuser und Bioläden erheben einen Pfand.