Forschungsfinanzierung

Umstrittener Deal zwischen Boehringer und Uni Mainz

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Berlin -

Mindestens 150 Millionen Euro soll die Boehringer Ingelheim Stiftung für Forschung und Lehre an die Universität Mainz gezahlt haben. Im Gegenzug soll sich die Stiftung weitreichenden Einfluss vertraglich gesichert haben: Sie kann demnach bei Professorenberufungen mitentscheiden und muss der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen vorab zustimmen. Diese Rechte soll das Unternehmen Boehringer Ingelheim auch für das Forschungsprojekt „Gutenberg Gesundheitsstudie“ haben. Das entnimmt SWR-Reporter Thomas Leif dem Vertrag zur Studie.

Mit einer Spende von 100 Millionen Euro hatte die Stiftung 2011 das Mainzer Instituts für Molekulare Biologie mitfinanziert. 2013 spendete die Stiftung weitere 50 Millionen für den Fachbereich Biologie. Die Verträge zwischen Sponsor und Universität verstoßen jedoch möglicherweise gegen Landeshochschulgesetze: Aus den Vereinbarungen ging laut Spiegel Online hervor, dass die Stiftung unter anderem bei der Besetzung von Professorenstellen Mitspracherecht habe.

Das Mainzer Verwaltungsgericht hatte im Mai entschieden, dass die Uni Mainz Leif Einsicht in die Verträge mit der Stiftung gewähren müsse. Die Hochschule hatte dies zunächst verweigert, drei anderen Journalisten jedoch die Dokumente zu dem Zeitpunkt bereits vorgelegt. In den Verträgen sei es zu Fehlern gekommen, so im Juli der Mainzer Unipräsident Professor Dr. Georg Krausch nach der Aktenöffnung. Er hatte angekündigt, die Vereinbarungen zu überarbeiten.

Nun erklärte Leif, dass auch der Vertrag zwischen Boehringer Ingelheim und der Uni Mainz zur „Gutenberg Gesundheitsstudie“ vergleichbare „Fehler“ aufweise: Nach Informationen von Leif, publiziert auf kress.de, sollen die Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen und die Pressearbeit nur nach Freigabe durch den Konzern möglich sein.

Das Vorrecht, das der Vertrag dem Sponsor einräumt, wird kritisiert: Es könnte dazu führen, dass unangenehme Forschungsergebnisse zurückgehalten würden. Damit würde die im Grundgesetz verankerte Freiheit der Forschung gefährdet.

Boehringer finanziert die Langzeitstudie mit mindestens drei Millionen Euro. Die Universitätsmedizin Mainz teilte mit, dass die „überwiegende Finanzierung“ der Studie aus Mitteln der Universitätsmedizin erfolge.

Die Universitätsmedizin Mainz teilte auf Anfrage mit, dass Boehringer ein Kooperationspartner der Studie sei. Es sei ein Vertrag aufgesetzt worden, der Rechte und Pflichten beider Partner regele. Dazu gehöre, dass beide die Veröffentlichungen des jeweils anderen kommentieren dürften. So sollen vertrauliche Informationen geschützt bleiben. Patentierbare Erfindungen sollen so nicht vor dem Patentschutz an die Öffentlichkeit geraten. Boehringer Ingelheim ergänzt, dass die gegenseitige Kommentierungsmöglichkeit der gängigen wissenschaftlichen Praxis entspreche. Beiden Partnern stehe es zudem frei, sich über die Anmerkungen hinwegzusetzen.

Dabei gehe es nicht darum, eine Veröffentlichung von Forschungsergebnissen zu verhindern, sondern um eine Verschiebung des Zeitpunkts bis zu einem eventuellen Patentschutz. „Dieser Fall ist in der Studie bisher nicht eingetreten“, so die Universitätsmedizin. „Die Veröffentlichungsfreiheit von Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Mainz ist damit grundsätzlich nicht eingeschränkt und die Freiheit von Forschung und Lehre nicht berührt.“

Die Boehringer-Ingelheim Stiftung äußert sich zu den Verträgen in Bezug auf das Institut für Molekulare Biologie wie folgt: „Es war und ist nicht Intention der Stiftung, in die Belange von Universitäten einzugreifen.“ Zudem sei festgelegt, dass „bei der Berufung die jeweils geltenden hochschulrechtlichen und beamtenrechtlichen Regelungen zu beachten sind“. „Öffentliche Bekanntmachungen“ seien lediglich zwischen den Vertragspartnern abzustimmen, wovon wissenschaftliche Publikationen ausgenommen seien.

Für die Gutenberg-Gesundheitsstudie, ein „in Forschung und Wissenschaft international renommiertes Projekt“, wurde zwischen 2007 und 2012 die Gesundheit von 15.000 Bürgern untersucht. Schwerpunkte sind neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch Krebs, Augenkrankheiten sowie Erkrankungen des Immunsystems, des Stoffwechsels und der Psyche.

Die Teilnehmer wurden nach Informationen der Studienleiter repräsentativ ausgewählt und waren zwischen 35 und 73 Jahre alt. Von ihnen wurden verschiedene Biomaterialien analysiert; unter anderem Blut-, Urin-, und DNA-Proben. In den folgenden 2,5 bis fünf Jahren – bis 2017 – soll die gesundheitliche Entwicklung der Teilnehmer verfolgt werden. Mehr als 100 Wissenschaftler arbeiten an der Studie mit.

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