Fieser Angriff auf Kijimea Carolin Ciulli, 08.11.2018 10:25 Uhr
Kijimea war vor Jahren das erste Produkt, das gezielt die Indikation Reizdarm aufgriff. Mittlerweile liegen Probiotika im Trend und angesichts attraktiver Wachstumskurven drängen mit Stada, Hexal und Medice neue mächtige Anbieter in den Markt. Der einstige Wegbereiter steht derweil massiv unter Beschuss: Mindestens ein Wettbewerber beschwerte sich bei der Bezirksregierung Oberbayern über die Werbung für Kijimea – und die Behörde schickte die Staatsanwaltschaft ins Feld.
In der Pharmabranche ist es keine Seltenheit, dass Mitbewerber scharf gegeneinander schießen. Insbesondere die Werbung der Konkurrenten wird von den Rechtsabteilungen genau geprüft. Abmahnungen gibt es regelmäßig – auch wenn so ziemlich jeder Hersteller beteuert, dass er nur das eigene Geschäft im Blick hat und ein solches Vorgehen für keinen guten Stil hält.
Dass über Bande gespielt wird, ist keineswegs ungewöhnlich. Es kommt sogar oft vor, dass die Unternehmen nicht selbst aktiv werden, sondern die Wettbewerbsverbände informieren. Dass sich die Arzneimittelaufsicht einschaltet und die Staatsanwaltschaft dazu zieht, hat eine neue Qualität.
In München öffnete die Bezirksregierung von Oberbayern eine Akte zu Kijimea. Dem Hersteller Synformulas wird vorgeworfen, vorsätzlich irreführend für das Medizinprodukt, das einen Bifido-Bakterienstamm enthält, geworben zu haben. Wäre dies der Fall, würde es sich um eine Straftat handeln. Deshalb schaltete die Behörde die Staatsanwaltschaft ein. Diese muss grundsätzlich prüfen, ob ausreichende Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegen. „Die Regierung von Oberbayern wurde durch einen Hinweis Dritter auf die Bewerbung aufmerksam gemacht“, sagt eine Sprecherin.
Konkret ging es offenbar um die Aussage „Wie ein Pflaster für den gereizten Darm“. Der Slogan wird in TV-Spots und auf der Website des Medizinprodukts verwendet. Firmenchef Dr. Clemes Fischer stand bereits zuvor wegen Werbeanzeigen für andere Produkte in der Kritik. Für Kijimea ließ er zuletzt Paare in TV-Spots und Anzeigen für das Präparat schwärmen. Kijimea soll zur Behandlung eines Reizdarmsyndroms mit den typischen Symptomen Durchfall, Bauchschmerzen und Blähungen eingesetzt werden.
Die Ermittlungen gaben indes nicht genügend Anlass zur Erhebung einer öffentlichen Klage. Die Staatsanwälte zogen sich zurück. „Das Verfahren wurde eingestellt, da ein Tatnachweis nicht zu führen war“, sagt ein Sprecher. „Maßgeblich für die Entscheidung war, dass sich die verantwortlichen Personen hinsichtlich Fragen der Werbung rechtlich beraten ließen, und so jedenfalls kein vorsätzlicher Verstoß gegen eine Vorschrift des HWG zu belegen ist.“
Dem Vernehmen nach war es bereits das zweite Mal, dass die Ermittler auf Synformulas angesetzt wurden. Der Fall geht zurück an die Bezirksregierung, die Behörde will prüfen, ob zumindest ein Bußgeldverfahren eingeleitet wird. Bisher bestehe lediglich der Anfangsverdacht der irreführenden Bewerbung, der nun auf Grundlage der staatsanwaltschaftlichen Akte geprüft werde. Bei Fahrlässigkeit könne der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt sein, so die Sprecherin. Zivilrechtliche Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) würden durch die Arzneimittelüberwachungsbehörde nicht geprüft.
Wer konkret hinter dem Hinweis steht, will man in München nicht verraten. „Auskünfte zur anzeigenden Person kann die Regierung leider nicht erteilen“, so die Sprecherin. Auf die Nachfrage, ob es ein aktueller oder ein künftiger Konkurrent war, sagt sie: „Dabei handelte es sich unseres Wissens nicht um Mitbewerber.“
Parallel erschien im Arzneitelegramm eine Kritik zu Kijimea: Die Autoren gingen ebenfalls der Frage nach, ob die Werbeaussagen durch die Datenlage gerechtfertigt sind. Die einzige veröffentlichte Studie mit 122 Patienten über vier Wochen zeigt demnach zwar eine Reduktion der Beschwerden. Sie reicht nach Meinung der Kritiker aber nicht für eine Zulassung als Arzneimittel, die ab Mai 2020 für alle Präparate mit Mikroorganismen Pflicht wird.
Eine zweite randomisierte Studie zur Bestätigung der Ergebnisse habe man nicht finden können, genauso wie Daten zur Dosisfindung sowie für die in der Gebrauchsanweisung empfohlene zwölfwöchige Therapie. „Wir raten von der Einnahme von Kijimea ab“, heißt es im Fazit ohne weitere Erläuterung. Stattdessen wird auf die Preise verwiesen, in der Fußnote gibt es noch die Erläuterung, dass man die Werbung als irreführend betrachte.
Kijimea war 2009 die erste Marke, die Fischer auf den Markt brachte. Die Idee für die Probiotika-Mischung sei ihm schon während seines Praktischen Jahrs als Arzt in Südafrika gekommen, wie er später berichtete: Wenn das Volk der Massai seine Abwehrkräfte mit einer fermentierten Milchmischung stärken kann, warum dann nicht auch deutsche Verbraucher?
Drei Jahre lang arbeitete er mit seiner Geschäftspartnerin Madlena Hohlefelder und einem befreundeten Arzt auf den Launch hin. Doch „Kijimea Immun“ ist ein Flop, trotz Kooperation mit ProSiebenSat.1. Erst die Fokussierung auf Reizdarmsyndrom zwei Jahre später bringt den Erfolg. Von Synformulas werden unter der Dachmarke mittlerweile sechs Produkte vertrieben, darunter vier Nahrungsergänzungsmittel. Die Firma ist ein Schwesterunternehmen von PharmaSGP mit Sitz in München.