Exklusiv kostet extra: KBS ködert Generikafirmen APOTHEKE ADHOC, 17.11.2020 17:17 Uhr
Um die Arzneimittelversorgung in der Corona-Krise zu sichern, wurden zahlreiche Abgabevorschriften gelockert. Doch jetzt kehren die Kassen zu ihren alten Mustern zurück und schreiben Rabattverträge aus, was das Zeug hält. Jüngstes Beispiel ist die Knappschaft-Bahn-See (KBS)*, die auf Jahre hinaus plant und besonders gute Angebote mit Exklusivität belohnt.
Während es im ersten Halbjahr vergleichsweise ruhig um das Thema Rabattverträge war, kommen seit Sommer fast im Wochentakt neue Ausschreibungen. Zehn Aufrufe liegen bei den Herstellern derzeit auf dem Tisch, alleine Spectrum K hat drei neue Runden eingeläutet. Dies stellt die Unternehmen vor neue Herausforderungen, denn bei jedem Vertrag müssen Produktionskapazitäten und Lieferketten geplant und schlussendlich Preise kalkuliert werden.
Auffällig ist auch, dass die Kassen wieder verstärkt auf Exklusivverträge fokussieren. Die KBS etwa vergibt gerade 71 von 129 Losen an einen einzigen Hersteller, maßgeblich ist „ausschließlich die erzielbare Gesamtersparnis bezogen auf die Ausgaben des Referenzzeitraums in Euro“.
Für die übrigen Lose werden zwar jeweils drei Partner gesucht – allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung: „Sollte bei den Losen im 3-Partner-Modell die Differenz der Einsparungen zwischen den potentiell zu bezuschlagenden erst- und zweitplatzierten Angeboten eines Loses größer als 40 Prozent sein, dann fallen das jeweilige zweit- und drittplatzierte Angebot bezüglich dieses Loses aus der Wertung und der Zuschlag erfolgt letztlich im 1-Partner-Modell.“
Laut Bork Bretthauer, Geschäftsführer vom Herstellerverband Pro Generika, ist diese Praxis nicht neu – „aber geradezu toxisch für die Versorgungssicherheit“. Er berichtet von einem Fall, in dem ein Unternehmen mit Blick auf das nahende Verfallsdatum eines Produkts die reinen Entsorgungskosten als Gebot bei der Kasse eingereicht hatte. Den Zuschlag habe es trotzdem nicht bekommen, da ein Mitbewerber offenbar nochmals 40 Prozent unter den Entsorgungskosten geboten hatte.
„Wir haben es also hier mit einem System zu tun, das Hasardeure begünstigt und die Generika-Preise auf ein Niveau drückt, zu dem eine nachhaltige und stabile Versorgung dauerhaft nicht zu gewährleisten sind“, so Bretthauer. Zudem machten solche Ausschreibungen die Planungssicherheit zunichte: Denn die Unternehmen planten ihre Produktion ja für den von der Kasse ausgeschriebenen Mehrfachzuschlag, müssten dann aber kurzfristig die komplette Versorgung allein stemmen. „Wie wir da rauskommen? Nur indem die Politik die Spielregeln ändert und derart verkappte Exklusivverträge – etwa durch dem zwingenden Dreierzuschlag – unterbindet.“
Das Thema Planungssicherheit treibt auch Markus Reker um, der beim Berliner Hersteller Aristo den Bereich der Rabattverträge betreut. Ihm sind vor allem die Ausschreibungen der Ersatzkassen aufgefallen, die seit einem Jahr unter wechselnder Federführung laufen und mittlerweile immer umsatzstärkere Wirkstoffe umfassen. Um die bestehenden Verträge der einzelnen Kassen mit unterschiedlichen Laufzeiten abzulösen und zu vereinheitlichen, würden bereits Vereinbarungen ausgeschrieben, die erst Ende 2021 in Kraft treten und dann bis Ende 2023 laufen.
„Grundsätzlich bewerten wir ausreichende Vorlaufzeiten als positiv, müssen uns aber heute fragen, ob wir solche langen Zeiträume verlässlich vorausplanen können.“ Reker verweist auf die Unwägbarkeiten am Weltmarkt: „Wenn andere Länder mit Exportstopp drohen, können wir als Unternehmen kaum eine vertragliche Versorgungsgarantie übernehmen.“ Auch er sieht Politik und Kassen in der Pflicht, die Probleme endlich strukturiert anzugehen statt in alte Muster zurückzufallen. „Es ist Zeit, Lehren aus Corona zu ziehen und die Versorgung dauerhaft auch über die Krise hinaus zu sichern.“ Dazu gehört es – wie nun von der AOK angefangen – Standortfaktoren und damit Versorgungssicherheit mit in Ausschreibungen einfließen zu lassen, aber auch zusätzliche Sicherheitsbestände nicht nur zu fordern, sondern auch zu bonifizieren.
*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Beitrags hatte es geheißen, die Ausschreibung sei von der Barmer. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.