Europa Apotheek will Termin im BMG Alexander Müller, 16.12.2011 09:39 Uhr
Für DocMorris, Vitalsana und die Europa Apotheek Venlo (EAV) wird es ernst: Mit der AMG-Novelle will Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ausländischen Versandapotheken die Privilegien in Sachen Rx-Boni entziehen. Auch über eine Neuregelung für Pick-up-Stellen wird im Ministerium nachgedacht. Kein Wunder, dass die Anbieter jenseits der Grenze jetzt nervös werden: Die Medco-Tochter EAV bittet dringend um ein Gespräch im BMG.
Die Europa Apotheek hatte im Juni 2004 als erste niederländische Versandapotheke in den Filialen der Drogeriekette dm Pick-up-Stellen für Arzneimittel installiert und das Modell im Jahr 2008 auch in letzter Instanz erfolgreich vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) verteidigt. Jetzt aber bangt man in Venlo um das eigene Geschäftsmodell: Ende November schrieb die Kanzlei „Dierks + Bohle“ im Auftrag der Versandapotheke an die parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU).
Obwohl ein Pick-up-Verbot eigentlich vom Tisch ist, legt die Kanzlei noch einmal dar, warum ein solcher Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nicht gerechtfertigt wäre: Die Abholstellen führten nicht zu einer „Gefährdung der Verbrauchergesundheit durch Herabqualifizierung des Arzneimittels als Konsumgut“, heißt es in dem Schreiben. Und weiter: „Da in Drogeriemärkten auch Arzneimittel verkauft werden, ist ein Verbot von Pick-up-Stellen nicht geeignet, die Anschauung des Verbrauchers in Bezug auf Arzneimittel zu beeinflussen.“
Die EAV wünscht sich deshalb als milderes Mittel Auflagen für den Betrieb von Pick-up-Stellen. Dazu hat man in Venlo eigene Vorstellungen: So könnte der Gesetzgeber die Annahme der Bestellungen und Ausgabe der Arzneimittel „an die Präsenz- und Aufsichtspflicht entsprechend qualifizierter Drogisten“ koppeln.
Was die Bindung ausländischer Versandapotheken an deutsche Preisvorschriften betrifft, beruft sich die EAV auf das „völkerrechtliche Territorialprinzip“ sowie ein Urteil des Bundessozialgerichts. Die Richter hatten im Jahr 2008 in einem Verfahren um die Versandapotheke DocMorris entschieden, dass die Preisbestimmungen nicht grenzübergreifend wirken. Ein Verbot der Rx-Boni wäre aus Sicht der EAV eine ungerechtfertigte Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit und als solche nach EU-Recht unzulässig.
Allerdings vergessen die Anwälte der Versandapotheke in ihrem Brief zu erwähnen, dass der Bundesgerichtshof (BGH) dies in einem aktuelleren Urteil genau anders sieht: Der BGH argumentiert, dass bei nach Deutschland liefernden ausländischen Versandapotheken das „Marktortprinzip“ – und damit die Preisbindung – gilt. Wegen des Gebots der einheitlichen Rechtsprechung liegt der Fall derzeit beim Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichte des Bundes.
Die Regierung will dieser Entscheidung mit der AMG-Novelle vorgreifen und Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel für alle Versandapotheken verbieten.
Aufgrund der „weitreichenden drohenden Folgen der geplanten Gesetzesänderungen“ bitte die EAV um einen baldigen Besprechungstermin im BMG. Ob die Versandapotheke schon im Ministerium vorstellig werden durfte, wollte ein BMG-Sprecher auf Nachfrage nicht kommentieren. Auch EAV-Mitbegründer Klaus Gritschneder wollte sich gegenüber APOTHEKE ADHOC nicht zum Laufenden Verfahren äußern. Der Unternehmer hatte allerdings schon früh in der Debatte angekündigt, mit allen legalen Mitteln gegen ein Pick-up-Verbot zu kämpfen.