Versandapotheken

„Besondere Qualität“: Europa Apotheek darf Chroniker locken

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Berlin -

Die Werbung außerhalb der Fachkreise ist nicht nur für Arzneimittel stark reglementiert. Auch Verfahren oder Behandlungen dürfen nicht suggerieren, Krankheiten zu beseitigen oder zu lindern. Die Europa Apotheek steht in der Kritik, mit einer Werbeanzeige bei HIV-Patienten falsche Hoffnungen geweckt zu haben. Das Landgericht Berlin (LG) ließ die Annonce verbieten, die zweite Instanz kassierte das Urteil.

In dem Fall geht es um die Frage, ob die Europa Apotheek mit einer speziellen Anzeige Linderung verspricht oder nur eine apothekentypische Leistung anbietet. Die niederländische Versandapotheke bietet seit rund zehn Jahren das Beratungsprogramm „Smart HIV“ an. Die strittige Werbeanzeige schaltete sie unter anderem in Szenemagazinen: „Wir begleiten Sie in Ihrer Therapie: Immer ein persönlicher Ansprechpartner, immer Ihre Medikation im Überblick, immer eine Antwort auf Ihre Fragen“, hieß es darin.

Daneben war ein Mann abgebildet, dem offenbar dieses Zitat zuzuordnen ist: „Dank Smart bin ich mit meiner HIV-Infektion nicht alleine. Die Smart Experten nehmen sich Zeit für mich, hören mir zu und haben wertvolle Tipps.“

Der Verband sozialer Wettbewerb (VSW) mahnte die Europa Apotheek vor knapp einem Jahr wegen der Werbung ab. Damit würden Linderungsversprechen gemacht, da die Versandapotheke die Therapiebegleitung durch ständig erreichbare Experten und persönliche Ansprechpartner, die Hilfestellung bei der Medikation und bei allen anderen Fragen geben, anpreise. Der VSW bezog sich auf das Heilmittelwerbegesetz (HWG).

Da die Versandapotheke selbst angegeben habe, sich zum Ziel gesetzt zu haben, die Gesundheit von chronisch Kranken zu fördern und diese dabei zu unterstützen, gut damit zu leben, offeriere sie „unzweideutig einen Beitrag zur Linderung der Erkrankung HIV“, argumentiert der Verband. In der Anzeige verwies die Europa Apotheek zudem auf einen Sofort-Nachlass von bis zu 30 Euro pro Rezept.

Die Versandapotheke gab vor dem LG an, dass das HWG in dem Fall gar nicht anzuwenden sei, weil es nur Infektionskrankheiten erfasse, die den Gesundheitsämtern zu melden seien. Dazu zähle HIV nicht, da eine Ansteckung dem Robert Koch-Institut (RKI) nicht namentlich mitgeteilt werden müsse. Zudem falle das beworbene Programm „nach Sinn und Zweck“ nicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes, da es sich um keine Therapie handele.

Dem LG zufolge wirbt die EAV mit der Anzeige für die Linderung der Auswirkungen der Infektion mit dem Virus. „Denn sie offeriert Begleitung bei der notwendigen Behandlung.“ Der Patient fühle sich nicht alleine gelassen. Bei dem Angebot gehe es um mehr als die herkömmlichen Pflichten einer Apotheke: „Vorliegend geht es jedoch nicht um Beratung, sondern um die Werbung für die Linderung einer meldepflichtigen Krankheit.“

Das Berliner Kammergericht wertete die Situation anders. Demnach greift das HWG für die Werbung nicht, da es für produktbezogene Reklame und nicht für allgemeine Firmenwerbung gelte. Ein Linderungsversprechen liege in dem Fall nicht vor. Die Richter verstehen die Anzeige als Imagewerbung.

Die Werbung verspreche „eine besondere Qualität der Erfüllung der einem Apothekenbetreiber ohnehin obliegenden Aufgaben bei der Abgabe von Arzneimitteln“, heißt es in dem Urteil von Ende Januar. Da es letztlich „ausschließlich um Leistungen geht, die im Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln erbracht werden, liegt keine produktbezogene, sondern eine allgemeine Firmenwerbung vor“.

Die Bezeichnung „Smart HIV“ könnte zwar ein Anhaltspunkt für einen Produktbezug sein, so die Richter. Stelle man die angebotenen Elemente den Bestimmungen der Berufsordnung der Apothekerkammer Berlin gegenüber, enthalte das Programm aber nur Leistungen, die zu den Aufgaben eines Apothekers gehörten.

„Smart HIV“ wird in der Anzeige mit dem Slogan „Besser leben mit meiner Therapie“ beworben. Zudem trägt die Annonce die Überschrift „Wenn es um meine HIV-Infektion geht…“. Beides stehe in erkennbarem räumlichen und inhaltlichen Zusammenhang, so die Richter. Der aufmerksame Betrachter könne erkennen, dass „Smart HIV“ kein Behandlungsangebot darstelle, sondern auf einer verordneten Therapie aufbaue.

Die Europa Apotheek war im Vorfeld des Börsengangs der Shop-Apotheke abgespalten worden, gehört seit 2017 aber wieder dazu. 2016 erwirtschaftete der Versender mit rund 130 Mitarbeitern einen Umsatz in Höhe von 144 Millionen Euro und einen kleinen Gewinn von 200.000 Euro. 80 Prozent der Erlöse stammten aus dem Verkauf von Rx-Produkten, hier hatte Europa Apotheek laut eigenen Angaben einen Marktanteil von 25 Prozent und war damit die Nummer 2 nach DocMorris. Der durchschnittliche Warenkorb lag bei 300 Euro für Rx- und 60 Euro für OTC-Bestellungen. Der Fokus liegt auf Chronikern, 90 Prozent der Käufer sind Stammkunden, die Retourenquote bei 0,7 Prozent. Eine Million Päckchen werden demnach pro Jahr verschickt. Mehr als 50 Prozent der Kunden sind älter als 65 Jahre, bei der Shop-Apotheke sind es weniger als 30 Prozent.

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