EuGH: Öko-Test vs. Dr. Liebe Tobias Lau, 18.01.2019 12:47 Uhr
Im Rechtsstreit zwischen Öko-Test und Dr. Liebe zeichnet sich eine Niederlage für den Zahnpastahersteller ab. Der Streit dreht sich um die Benutzung des Testsiegels auf einer Zahncreme: Dr. Liebe wirbt auf seiner Aminomed-Zahncreme weiter mit einen Ergebnis von 2005. Öko-Test wehrte sich dagegen, mittlerweile ist die Auseinandersetzung zur Vorabentscheidung beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gelandet. Dessen Generalanwalt stellte sich im Wesentlichen auf die Seite des Verlags, verwies aber in einem entscheidenden Punkt auf das zuständige deutsche Gericht.
Eigentlich begann es für das Unternehmen aus Baden-Württemberg erfreulich: 2005 untersuchte Öko-Test mehrere Zahncremes. Aminomed schloss mit der Bewertung „Sehr gut“ ab. Dr. Liebe nutzte die Chance und ließ das Siegel auf die Packungen drucken. Öko-Test bietet den Herstellern an, für die Eigenwerbung die Gesamtnote auf Packung oder in Infomaterialien zu nutzen. Dafür ist eine schriftliche Vereinbarung nötig. Maximal fünf Jahre ab Erstveröffentlichung dürfen die Testergebnisse dann genutzt werden. Sobald ein neuer Test vorliegt, ist das Siegel auch vor Ablauf der Frist nicht mehr gültig. Zur Kontrolle erhalten die Firmen für fünf Jahre ein Heft-Abo.
Im August 2005 schlossen die beiden Unternehmen eine solche Vereinbarung zur Nutzung des damals noch als Marke eingetragenen Siegels. So weit, so normal. Offenbar überrascht war man bei Öko-Test allerdings, als man im Oktober 2014 erfuhr, dass Dr. Liebe seine Aminomed-Zahncreme nach wie vor mit dem Siegel verkauft. Nicht nur war die Fünfjahresfrist da schon abgelaufen, vielmehr hatte das Magazin bereits 2008 einen neuen Zahncreme-Test mit anderen Parametern veröffentlicht – das Siegel war also nach Ansicht von Öko-Test bereits seit sechs Jahren ungültig.
Daraufhin zog Öko-Test wegen einer Markenrechtsverletzung gegen Dr. Liebe vor das Landgericht Düsseldorf. Dieses verurteilte den Hersteller, die Verwendung des Siegels zu unterlassen und das Produkt vom Markt zu nehmen. Das Unternehmen legte Berufung ein und zog vor das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG). Nach dessen Ansicht kann der Verlag gegen den Zahncremehersteller weder vertragliche Ansprüche noch Ansprüche aus den deutschen Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb geltend machen, da dies erfordere, dass die beiden Unternehmen im Wettbewerb stünden. Das sei hier allerdings nicht der Fall. Deshalb wandte sich das OLG mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH: Ob der Inhaber eines Testsiegels sich auf Ansprüche wegen Markenrechtsverletzungen stützen kann, wenn es keine Identität oder Ähnlichkeit zwischen der Dienstleistung und dem beworbenen Produkt gibt.
Am Donnerstag veröffentlichte der EuGH nun den Schlussantrag von Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona. Demnach berechtigen die EU-Verordnung über die Unionsmarke vom Juni 2017 und die Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken vom Oktober 2008 den Inhaber einer Individualmarke, die aus einem Testsiegel besteht und für „Verbraucherinformation und -beratung bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen, insbesondere unter Verwendung von Test- und Untersuchungsergebnissen sowie mittels Qualitätsurteilen“ eingetragen ist, sich einer von ihm nicht genehmigten Benutzung seiner Marke zu widersetzen. Allerdings nur unter drei Bedingungen.
Erstens, wenn ein Dritter die Marke auf einer Ware anbringt, für die die Marke nicht eingetragen ist. Zweitens, wenn das Publikum die Marke als Testsiegel versteht, „also in dem Sinne, dass die Ware von einem Dritten und nicht vom Markeninhaber hergestellt und in den Verkehr gebracht wurde, der Markeninhaber diese Ware aber getestet und mit einer in dem Testsiegel vermerkten Note bewertet hat“. Und drittens, wenn die Benutzung die Marke beeinträchtigt.
Benutzt also ein Dritter eine Individualmarke mit den beschriebenen Besonderheiten ohne Zustimmung des Inhabers, stelle das eine rechtsverletzende Benutzung dar, wenn die Marke bekannt ist, sei es auch nur als Testsiegel, und das Ansehen der Marke beeinträchtigt wird und der Dritte in unlauterer Weise einen Vorteil aus der Benutzung des Zeichens zieht. Letzteren Punkt werde das OLG zu prüfen haben. In der Regel folgen die EuGH-Richter in solchen Fällen den Vorschlägen der Generalanwälte – ein abschließendes Urteil steht aber freilich noch aus.