EuGH: Bionorica-Klage abgewiesen Tobias Lau, 23.11.2017 18:39 Uhr
Bionoricas Untätigkeitsklage gegen die Europäische Kommission ist vorerst gescheitert. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sie in zweiter Instanz abgewiesen. Der Phytopharmaka-Hersteller wollte damit vor Gericht durchsetzen, dass pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel nicht länger mit denselben gesundheitsbezogenen Aussagen beworben werden dürfen wie OTC-Präparate.
Gegenstand des Streits ist die Health-Claims-Verordnung aus dem Jahr 2006. Ihr zufolge dürfen je nach Inhaltsstoff nur bestimmte gesundheitsbezogene Aussagen verwendet werden, die wissenschaftlich bewertet und von der EU-Kommission zugelassen sind. Rund 200 dieser Health Claims hat die Lebensmittelbehörde EFSA bereits abgenickt, darunter jedoch keine zu Produkten auf pflanzlicher Basis.
Europaweit werden allerdings von vielen Herstellern rund 200 weitere Claims verwendet – die weder wissenschaftlich fundiert, noch von der EFSA zugelassen wurden. Denn 2010 hatte die Kommission die Umsetzung der Verordnung bei pflanzlichen Produkten gestoppt. Bionorica sieht das als geschäftsschädigend und hakte in Brüssel nach – erhielt aber keine befriedigende Antwort.
Also klagte der Mittelständler. Erste Instanz war das Gericht der Europäischen Union (EuG), das die Untätigkeitsklage im September 2015 abwies. Also wandte sich Bionorica an die Berufungsinstanz, den EuGH – der jetzt ebenfalls abwinkte: Es fehle ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse, weil Bionorica keine Nahrungsergänzungsmittel, sondern pflanzliche Arzneimittel herstelle, heißt es zur Begründung.
Bionorica sieht das naturgemäß anders und empört sich über die Entscheidung. „Damit werden Hersteller pflanzlicher Arzneimittelwie Bionorica, die den Wirknachweis ihrer Präparate erbringen und viel Geld in die Forschung und Zulassung investieren, entschieden benachteiligt“, so Inhaber Michael Popp. Man sei der Auffassung, „dass europarechtlich vorgegebene Verfahren, gerade wenn sie dem Verbraucherschutz dienen, nicht einfach ausgesetzt werden dürfen“.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) pflichtet Popp bei. „Das Gericht hat die Chance vergeben, sich für den Verbraucherschutz zu entscheiden“, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Norbert Gerbsch. „Die Verbrauchertäuschung wird auf unbestimmte Zeit mit dem Urteil manifestiert.“
Der Ausgang ist umso erstaunlicher, als Generalanwalt Michal Bobek in seinen Schlussanträgen noch verstanden hatte, dass Bionorica zugelassene pflanzliche Arzneimittel vertreibt und unter dem Wildwuchs leidet. Vor allem in Ländern wie Italien und Großbritannien werden viele pflanzliche Präparate grundsätzlich als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet, was für die Hersteller billiger, für die OTC-Branche aber schlecht ist.
Hersteller pflanzlicher Arzneimittel, die wie Bionorica den Evidenznachweis ihrer Präparate erbrächten und viel Geld in die Forschung und Zulassung investierten, würden entschieden benachteiligt. „Mein Anliegen ist deshalb, dass gesundheitsbezogene Angaben der Nahrungsergänzungsmittel, wie vom europäischen Gesetzgeber auch vorgesehen, wissenschaftlich bewertet werden müssen, um vermarktet werden zu dürfen.“